Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
leise. »Ich weiß, dass die Anklage das nicht glauben wird, aber trotzdem ist das Argument logisch. Was immer er von ihr wollte oder bekam, dürfte einer Frau leichterfallen, als auf den Straßen von Limehouse nach Laufkundschaft zu suchen.«
Darüber dachte er einen langen Augenblick nach. »Der Staatsanwalt könnte unterstellen, dass Sie diejenige waren, die ihn erpresste, um seine Besuche bei Zenia zu unterbinden.«
»Und was hätte ich dann getan?«, konterte sie mit einem Anflug von Humor. »Mich mit einer Veröffentlichung der Affäre selbst erniedrigt? Machen Sie sich nicht lächerlich.«
Unwillkürlich musste er lächeln. Er bewunderte ihren Mut. »Warum hat er dann Selbstmord begangen, Mrs Lambourn?«
»Das hat er ja nicht.« Erneut verschwand alles Helle aus ihrem Gesicht, und Kummer legte sich darüber. »Sie haben ihn ermordet, weil er dafür kämpfen wollte, dass seine Untersuchung, wenn schon nicht von der Regierung, dann eben vom Volk akzeptiert wurde. Sie ließen es wie Selbstmord aussehen, um ihn ein für alle Mal in Verruf zu bringen.«
Das klang nun wirklich nach einer Räuberpistole, die sie sich aus den Fingern gesogen hatte, um sich die Schande wegen Lambourns Selbstmord und der Ablehnung seiner Arbeit zu ersparen, doch ganz konnte Rathbone ihre Geschichte nicht von der Hand weisen. »Mord?«, fragte er.
»Wie viele Menschen sind schon im dunklen Meer des Opiumhandels ertrunken?«, wollte sie wissen. »In den Opiumkriegen gefallen, im Chaos danach von Piraten ermordet worden, an einer Überdosis gestorben? Wie viele Vermögen sind erworben oder verloren worden?«
»Und wer hat Zenia Gadney umgebracht?«, spann Rathbone den Faden fort, ernsthafter jetzt und in Erwartung einer Antwort. »War das wirklich nichts als purer Zufall?«
»Das scheint extrem unwahrscheinlich, um nicht zu sagen, unmöglich.« Dinahs Angst war förmlich mit Händen zu greifen, und Rathbone blickte sie tief besorgt an. Er wusste genau, warum Monk ihn gebeten hatte, diesen Fall zu übernehmen.
»Ich wollte mein Möglichstes tun, um seinen Namen wiederherzustellen«, fuhr Dinah fort. »Aber seine Unterlagen sind alle verschwunden. Jemand hat sie an sich gerissen und zerstört. Ich habe trotzdem bis zum Schluss versucht, einen Doktor zu finden, der den Mut und die Mittel hat, das Thema aufzugreifen.«
»Obwohl Sie glauben, dass man ihn ermordet hat, um ihn zum Schweigen zu bringen?«
»Er hatte recht«, sagte sie schlicht.
Rathbone kehrte zu seiner eingangs gestellten Frage zurück. »Wer hat Zenia ermordet?«
»Sie« , erklärte Dinah. »Diejenigen, die auch Joel umgebracht haben.«
»Warum? Was wusste Zenia? Hatte sie Abschriften der Untersuchung?« Ihre Wohnung wäre kein ungeeignetes Versteck für ein solches Werk gewesen, wenn es denn existierte.
»Vielleicht.« Sie sagte das in einem Ton, als wäre es ihr erst jetzt in den Sinn gekommen.
Eine Antwort, die der Staatsanwalt sogleich in der Luft zerreißen würde, konnte Rathbone ihr freilich nicht durchgehen lassen. »Warum sind sie nicht einfach in ihr Haus eingebrochen?«, fragte er ironisch. »Damit hätten sie sicher keine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Und wenn sie die Unterlagen tatsächlich dort versteckt hatte und ihnen nichts verraten wollte, hätte man sie zusammenschlagen oder sogar töten können – aber doch nicht auf derart groteske Weise. Dieser Mord ist so entsetzlich, dass er ganz London in Angst und Schrecken versetzt hat. Die Leute trauen sich kaum noch aus ihren Häusern. Es steht in allen Zeitungen und beherrscht jedes Gespräch. Das ergibt doch keinen Sinn.«
Müde und erschöpft verbarg sie das Gesicht in den Händen. »Es ergibt sehr wohl einen Sinn, Sir Oliver. Wie Sie richtig beobachtet haben, ist ganz London von Grauen davor gepackt worden. Falls die Indizien auf mich weisen und dann auch auf Joel und ich meine Unschuld nicht beweisen kann, wird man mich hängen und Joel endgültig in Schimpf und Schande bringen. Seine Studie wird keine Gefahr mehr darstellen, und das Gesetz wird eines stillen Todes sterben. Wahrscheinlich wird es Jahre dauern, bis es jemandem gelingt, es wiederzubeleben. Was ist Zenias Leben – oder meines – denn schon wert im Vergleich zu den Millionen im Geschäft mit dem Opium oder zu der diskreten Beerdigung der Sünden der Opiumkriege?«
Rathbone wusste nicht, inwieweit er ihr glauben konnte. Doch je länger er ihr zuhörte, desto plausibler erschien es ihm, dass Lambourns Untersuchung zumindest
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