Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
unterdrückt worden war, weil sie nicht das von der Kommission gewünschte Ergebnis erbracht hatte.
Aber hätte ein solcher Misserfolg – aus der Sicht der Kommission – wirklich erst zu Lambourns und später auch noch zu Zenias Ermordung führen können, nur um Dinah zum Schweigen zu bringen? Fraglos genügten die ungeheuren Vermögen, die hier auf dem Spiel standen, um sogar zu Mord zu greifen. Steckte also tatsächlich eine abscheuliche Verschwörung dahinter?
Oder wurde er nur zum Narren gehalten – von einer wunderschönen Frau, deren Liebe zu ihrem Mann an seine eigene Wunde gerührt hatte, die Stelle, an der er verletzlich und angreifbar war wie nie zuvor? War er drauf und dran, sein Augenmaß zu verlieren?
Riskierte Dinah Lambourn tatsächlich das eigene Leben, um den Ruf ihres Mannes zu retten? Oder hatte die Eifersucht auf Zenia sie bis zum Wahnsinn zerfressen? Hatte sie sie in einem Anfall von Raserei umgebracht und log jetzt in letzter Verzweiflung, um dem Strick irgendwie zu entgehen?
Er vermochte es beim besten Willen nicht zu sagen.
Er wollte ihr glauben. Oder, um näher bei der Wahrheit zu bleiben, er wollte glauben, dass eine Frau in der Lage war, diese Art von Treue zu ihrem Mann aufzubringen. Dass sie über seinen Tod hinaus und trotz seiner fünfzehnjährigen Verbindung mit einer anderen Frau bereit war, für ihn, für ihre Erinnerungen an ihn und für alles, was sie miteinander geteilt hatten, zu kämpfen.
Dass ihre eigenen Gefühle verletzt worden waren, schien ihr nichts zu bedeuten. Kein einziges Mal hatte sie sich abfällig über ihn oder Zenia Gadney geäußert.
Ganz offensichtlich litt sie unter extremen emotionalen Qualen, doch nichts wies darauf hin, dass sie sich weigerte, die Realität zur Kenntnis zu nehmen. Wenn man sie schuldig sprach, stand ihr der Tod durch den Strick bevor. Nach den Umständen von Zenia Gadneys Tod und der Hysterie in der Öffentlichkeit war Gnade völlig ausgeschlossen.
Hatte am Ende er den Bezug zur Wahrheit verloren?
»Ich übernehme Ihre Verteidigung, Mrs Lambourn«, sagte er feierlich. »Erfolg kann ich Ihnen nicht versprechen. Was ich Ihnen verbindlich zusagen kann, ist, dass ich mein Möglichstes tun werde, Sie zu verteidigen.«
Sie lächelte ihn an, und dann strömten Tränen der Erleichterung über ihre Wangen.
Was, um alles auf der Welt, hatte er getan?
10
Wieder im Freien, stand Rathbone im auffrischenden Wind auf dem vereisten Bürgersteig vor dem Gefängnis und wunderte sich über seine Voreiligkeit. Damit wagte er sich doch auf Treibsand hinaus, und schon jetzt war es für eine Umkehr zu spät. Er hatte Dinah sein Wort gegeben.
Aber bevor er so früh am Tag in seine Kanzlei ging, wo er doch nur darüber grübeln würde, worauf er sich eingelassen hatte, war es vielleicht besser, ostwärts weiterzufahren, den Fluss in Wapping zu überqueren und Monk in seinem Haus in der Paradise Place aufzusuchen, um ihm mitzuteilen, dass er den Fall übernommen hatte. Er würde ohnehin mehr Informationen benötigen als das Wenige, was er gestern erfahren hatte. Er würde einfach so tun, als wäre Monk nicht Kommandant der Wasserpolizei, sondern immer noch ein Privatermittler, den er damit beauftragen konnte, seine Zeit und seine Fähigkeiten diesem einen Fall zu widmen.
Zügig lief er durch die Hauptstraße, fand einen Hansom und wies den Kutscher an, ihn nach Wapping Stairs zu bringen. Während sie sich durch den morgendlichen Verkehr kämpften, lehnte er sich zurück und dachte darüber nach, was er alles in Erfahrung bringen musste. Wie konnte man bei den Geschworenen hinreichend begründete Zweifel wecken, obwohl es keinen anderen Verdächtigen gab? Konnte er selbst, beim klaren Licht des Wintertags besehen, überhaupt vernünftige Zweifel haben?
Glaubte Dinah Lambourn tatsächlich an das schier Unmögliche? Konnte es wirklich sein, dass sie ihren Mann trotz all seiner Schwächen liebte, obwohl er sie fünfzehn Jahre lang mit einer anderen Frau betrogen hatte? Glaubte sie ihm allen Ernstes seine verwegene Geschichte von der Weigerung der Regierung, die Wahrheit über den Gebrauch und Missbrauch von Opium zu akzeptieren? Ein neues Gesetz war doch sicher unvermeidlich, wenn Lambourns Fakten über Opium und andere Medikamente halbwegs der Wahrheit entsprachen. Durch Lambourns Tod würde es allenfalls um ein Jahr verzögert. So etwas war doch gewiss nicht den Tod eines Menschen wert, um gar nicht erst von der irrsinnigen Ermordung einer Person
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