Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
wissenschaftlichen Sammlung von Beweisen. Aber das ist auch alles, was ich gehört habe – keine Details.« Runcorn seufzte. »Es wurde nicht direkt gesagt, aber angedeutet, dass Anhaltspunkte für seelische Störungen vorlägen. Es schien die Herren nicht zu überraschen, dass er sich das Leben genommen hat – als hätte er schon länger den Hang dazu gehabt.«
»Wurde seine Affäre mit Zenia Gadney erwähnt?«
Runcorn schüttelte den Kopf. »Nein. Es hieß, er wäre in mehrfacher Hinsicht exzentrisch gewesen. Vielleicht ist es das, worauf sich die Andeutungen bezogen.« Sein Gesicht nahm einen bekümmerten Ausdruck an, als könnte er sich die Tragödie nur allzu lebhaft ausmalen. »Was haben Sie vor?«
»Mir noch einmal die Indizien vornehmen«, antwortete Monk. »Prüfen, ob Dinah Lambourns Version irgendeinen Sinn ergibt, ob irgendein Element Fragen zu den Theorien von Selbstmord, zunehmender Geistesstörung oder zumindest seelischer Unausgeglichenheit aufwirft.«
»Sind Sie denn absolut sicher, dass er eine Affäre mit dieser Frau in Limehouse hatte?« Runcorns Gesicht spiegelte immer noch seine Zweifel wider. Das verwunderte Monk allerdings. Sein Kollege war doch sicher lange genug Polizist, um sich nicht von scheinbaren Anomalien verwirren zu lassen.
»Dinah hat erst geleugnet, davon gewusst zu haben, es dann aber doch eingeräumt«, wiederholte Monk.
»Irgendetwas stimmt daran nicht«, beharrte Runcorn, den Blick auf die Tischplatte gesenkt, ehe er ihn wieder zu Monk hob. »Ich würde die Gelegenheit begrüßen, die Indizien Stück für Stück überprüfen zu können, ob es nicht doch Fehler gegeben hat, aber wir werden das sehr leise und vor allem inoffiziell machen müssen, sonst schreitet die Regierung ein und hindert uns daran.« Nun verriet seine Stimme kein Zögern, keine Zweifel.
Es verblüffte Monk, wie sehr sich der Mann verändert hatte. Der Runcorn, den er früher gekannt hatte, hätte sich nie einer übergeordneten Behörde widersetzt, weder offen noch heimlich. Er streckte ihm die Hand entgegen. Runcorn ergriff sie. Es war nicht nötig, ihre Vereinbarung mit Worten zu bestätigen.
»Ich kann die Wache gegen vier Uhr verlassen«, kündigte Runcorn an. »Kommen Sie um fünf zu mir.« Er schrieb seine Adresse in Blackheath auf einen kleinen Zettel. »Ich werde Ihnen sagen, was ich weiß, und dann können wir planen, wo wir anfangen.«
Monks Erstaunen über Runcorn wuchs, als er kurz vor fünf Uhr vor dessen Haus stand. Es war eine gediegene Familienresidenz in einer ruhigen Straße. Der Garten war gepflegt, und von außen erweckte das Anwesen einen Eindruck von Behaglichkeit und sogar Dauerhaftigkeit. Mit Runcorn hätte er so etwas nie in Verbindung gebracht.
Vollends überrascht war er, als ihm nicht Runcorn oder ein Dienstmädchen die Tür öffnete, sondern Melisande Ewart, die schöne Witwe, die er und Runcorn vor einiger Zeit in einem Mordfall verhört hatten. Sie hatte darauf bestanden, mit ihnen zu sprechen, obwohl ihr herrischer Bruder versucht hatte, sie daran zu hindern. Monk hatte schon damals gemerkt, dass Runcorn sie weitaus tiefer bewunderte, als er das eigentlich wollte, und vielleicht schon ein wenig in sie verliebt gewesen war. Damals wäre es ihm freilich peinlich gewesen, wenn sie das bemerkt hätte. Selbst Monk hatte nicht gewagt, irgendetwas zu erwähnen. Wäre die Situation nicht so schwierig gewesen, hätte Monk wohl einen Scherz gemacht. Bei Runcorn hätte er am allerwenigsten damit gerechnet, dass er sich verlieben würde, und dann auch noch in eine Frau von höherem gesellschaftlichen Rang, selbst wenn sie kein Geld hatte und von ihrem Bruder abhängig war, von dem sie sich unterdrückt fühlte.
Jetzt lächelte sie ihn leicht belustigt an, während ein Hauch von Rot in ihre Wangen stieg. »Guten Tag, Mr Monk. Wie schön, Sie wiederzusehen. Bitte treten Sie ein. Möchten Sie vielleicht eine Tasse Tee, während Sie den Fall erörtern?«
Endlich fand Monk seine Sprache wieder. Dankend nahm er den angebotenen Tee an. Gleich darauf saßen er und Runcorn in einem kleinen Salon zusammen, der in allem von einem harmonischen Zusammenleben zeugte. An den Wänden hingen hübsche Bilder, eine Vase mit einem kunstvoll arrangierten Blumenstrauß zierte das Sideboard, und in einer Ecke stand ein ordentlich aufgeräumtes Nähkästchen. Die Bücher auf dem Regal, die sich in den verschiedensten Größen aneinanderreihten, waren eindeutig des Inhalts, nicht des äußeren
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