Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
nicht zu begreifen.
»Alle Indizien besagen, dass sie die Person war, die die Frau am Fluss ermordet hat. Deren Name war Zenia Gadney.«
Runcorn starrte ihn fassungslos an. »Das ist lächerlich! Wie hätte Dr. Lambourns Witwe überhaupt eine Prostituierte mittleren Alters in Limehouse kennen sollen, geschweige denn sich für sie interessieren?« Wütend wirkte er nicht, nur ungläubig.
Monk war sich der Absurdität des Ganzen bewusst, als er erklärte: »Joel Lambourn unterhielt in den letzten fünfzehn Jahren eine Affäre mit Zenia Gadney. Er besuchte sie mindestens einmal im Monat und gab ihr Geld. Sie war auf seine Unterstützung angewiesen.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Runcorn. »Aber selbst wenn es so war, dann hätte er sie ja nach seinem Tod mittellos hinterlassen. Wahrscheinlich ging sie nur wieder auf die Straße und lief einem elenden Wahnsinnigen in die Arme. Ist das nicht die naheliegendste Antwort?«
»Ja. Nur können wir nirgendwo Spuren von einem Wahnsinnigen entdecken. Ein Mann, der Morde wie diesen begeht, taucht nicht einfach aus dem Nichts auf; davor oder danach hätte es etwas Ähnliches gegeben. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Er schlägt aufs Geratewohl zu, wobei die Brutalität in dem Maße, wie sich sein Wahn verstärkt, immer mehr zunimmt.«
»Jemand, der einfach auf der Durchreise war?«, regte Runcorn an. »Ein Seemann vielleicht. Den kann man unmöglich aufspüren, weil er nicht hierhergehört. Seine vorangegangenen Verbrechen hätte er woanders verübt.«
»Ich wünschte, es wäre so«, sagte Monk im Brustton der Überzeugung. »Aber dieses Verbrechen war eine schrecklich persönliche Angelegenheit, Runcorn. Ich habe die Leiche gesehen. Wer so etwas im Wahn tut, hinterlässt Spuren. Am Fluss wären Leute gewesen, die etwas bemerkt hätten. Auch einen fremden Seemann hätte irgendjemand gesehen. Glauben Sie etwa, dass wir nicht in diese Richtung ermittelt haben?«
»Dinah Lambourn wäre aber auch gesehen worden«, gab Runcorn sofort zurück.
»Das wurde sie auch … von mehreren Personen. Bei der Suche nach Zenia Gadney hat sie ein ziemliches Aufsehen erregt. Kunden, die damals in den Läden waren, erinnern sich lebhaft an sie. Und auch die Inhaber.«
Runcorn schüttelte benommen den Kopf. »Soll ich etwa gegen sie aussagen? Das kann ich nicht. In meinen Augen war sie eine der rationalsten Frauen, denen ich je begegnet bin: eine Frau, die ihren Mann wirklich liebte und nach seinem Tod gebrochen war. Sie war völlig fassungslos.« Sein eigenes Gesicht fiel plötzlich vor Betroffenheit in sich zusammen. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Mensch es verkraften kann, wenn die Person, die er über alles liebt und der er vertraut, sich aus heiterem Himmel das Leben nimmt, ohne ihm je offenbart zu haben, dass sie leidet und sogar sterben will.«
»Ich auch nicht«, meinte Monk, angestrengt darum bemüht, jeden Gedanken an Hester beiseitezudrängen. »Man stelle sich nur vor, was das in ihr angerichtet haben muss, als sie von seiner fünfzehnjährigen Affäre mit einer Prostituierten mittleren Alters in Limehouse erfuhr.«
»Wusste sie es denn?«
»Ja. Ihre Schwägerin hat mir gesagt, dass sie im Bilde war, und Mrs Lambourn hat es mir bestätigt.«
Runcorn saß wie gelähmt auf seinem Stuhl. »Gibt sie zu, diese … Gadney getötet zu haben?«
»Nein, sie behauptet, dass sie es nicht war. Sie hat geschworen, mit einer Freundin, einer gewissen Mrs Moulton, bei einer Soiree …«
»Da haben wir’s!«, rief Runcorn unendlich erleichtert. Endlich ließ seine Anspannung nach, und er machte es sich auf seinem Stuhl bequemer.
»Mrs Moulton dagegen gab an, in einer Kunstausstellung gewesen zu sein. Unter Druck gestand sie dann, dass Dinah Lambourn nicht dabei war.«
Runcorn erstarrte wieder. »Was wollen Sie von mir? Ich kann nicht gegen sie aussagen. Ich weiß doch nichts über sie, außer dass sie sehr würdevoll ist und trauert.« Runcorn sah Monk mit offenem, bekümmertem Blick in die Augen.
Monk fiel sein Unterfangen immer schwerer. Er war über sich selbst überrascht, dass es ihm so sehr widerstrebte, Runcorn Schmerz zuzufügen. Früher hatte er immer mit dem größten Vergnügen nach einem Anlass für einen Streit gesucht.
»Sie hat mich geradezu angefleht, Oliver Rathbone zu bitten, sie zu verteidigen«, begann er zögernd. »Und er hat eingewilligt. Und jetzt will er von mir, dass ich ihm helfe. Ich weiß nicht, ob er sie vielleicht doch für unschuldig hält.
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