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Ein perfekter Freund

Ein perfekter Freund

Titel: Ein perfekter Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Fabio fest.
    »Wie ein Schlot.« Die Glut glimmte auf und verblaßte. Ein dünner Strahl Rauch kam aus ihrem Mund und brachte die Kerze zum Flackern.
    Fabio streckte die Hand nach der Zigarette aus und nahm einen vorsichtigen Zug. Nichts von dem widerwärtigen Geschmack aus Nikotin und Teer, den er sonst bei den seltenen Gelegenheiten empfunden hatte, bei denen er herausfinden wollte, was die Leute wohl am Rauchen finden. Und kaum etwas von dem Gefühl, daß es ihm den Atem verschlug, als er den Rauch inhalierte.
    Er gab Marlen die Zigarette zurück und sah zu, wie der Rauch, den er ausblies, sich im Licht der Kerze gelb verfärbte.
    Bilder, hatte Dr. Vogel gesagt, sind das beste Stimulans fürs Hirn. Und was ist mit Gefühlen? Wenn mit der Erinnerung die Gefühle zurückkommen, kommen dann nicht vielleicht mit den Gefühlen die Erinnerungen zurück?
    Fabio hob die Hand. Marlen wollte ihm die Zigarette geben. Aber er ignorierte sie und berührte mit dem Zeigefinger den Rand ihres Ausschnitts über der rechten Brust. Sanft zog er ihn herunter, bis der dünne Stoff den leichten Widerstand überwand und die Brustwarze entblößte.

5
    Fabio erwachte, weil ihn der Hals schmerzte. Er brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Er lag nackt und schweißbedeckt auf dem Bett, den Kopf am Fußende. Tür und Fenster des Schlafzimmers waren geöffnet, und die Nachtluft, die durch die offene Balkontür durch die kleine Wohnung zog, ließ ihn frösteln.
    Dicht neben seinem Kopf konnte er im kalten Licht der Straßenlaterne Marlens Füße erkennen. Sie lag von ihm abgewandt auf der Seite und umarmte ein Kopfkissen. Er berührte sie. Mit seiner Hand konnte er beinahe ihre Pobacke umschließen. Marlen seufzte im Schlaf und drückte ihren Po gegen seine Hand. Ihre Haut fühlte sich auch feucht an.
    Leise stand Fabio auf. Zwischen den auf dem Boden verstreuten Kleidungsstücken fand er die weiße, grobmaschige Baumwolldecke, die Marlen als Bettüberwurf und - in Nächten wie diesen - als Bettdecke diente. Damit deckte er sie behutsam zu.
    Er schlich ins Bad, schloß vorsichtig die Tür, machte Licht und betrachtete sich im Spiegel. Feuchtes, zerzaustes Haar, Bartschatten, eine Lippenstiftspur am Hals. Fabio hatte im Spital abgenommen. Sein unbehaarter Oberkörper wirkte beinahe mager. Er roch nach Marlens Parfüm und nach ihr selbst. Er nahm ein Frottiertuch vom Handtuchhalter, trocknete sich den Schweiß und schlang es um die Hüfte.
    Fabio lächelte seinem Spiegelbild zu und löschte das Licht.
    Der Tisch auf dem Balkon war nicht abgeräumt. Die Kerze hatte einen roten Wachsfleck auf dem weißen Tischtuch hinterlassen. Herzförmig, wie Fabio amüsiert feststellte. Daneben lagen Marlens Zigaretten. Er steckte sich eine an und stellte sich damit an die Brüstung.
    In einem Haus gegenüber ging ein Licht an. Ein kleines Fenster leuchtete in der dunklen Fassade - und verlöschte.
    Aus der Nähe drang ein unterdrücktes Husten. Fabio lehnte sich über das Geländer. Auf einem Balkon schräg unter ihm glimmte ein anderes rotes Pünktchen.
    Ein fast voller Mond warf sein fahles Licht in die stillen Hintergärten. Weit weg ein Motorrad, wie ein wütendes Insekt, dann wieder Ruhe.
    Fabio schaute in die Nacht hinaus und versuchte, das Gefühl zu beschreiben, das ihn erfüllte.
    Es war gut. Wohlig. Angenehm. Schön. Zufrieden. Vielleicht sogar glücklich. Aber das ganz große Gefühl? Das, für das man alles wegwirft, alles stehen und liegenläßt, von vorn beginnt, ein anderer Mensch wird?
    Ein kleiner Windstoß ließ die mondbeschienenen Birkenblätter blinken. Fabio fröstelte. Er löste den Knoten des Frottiertuchs und legte es sich über die Schultern.
    Das ganz große Gefühl war es nicht. Und Fabio bezweifelte, daß es das noch werden könnte. Denn das ganz große Gefühl wuchs nicht langsam heran. Das brach über einen herein, wie eine Naturkatastrophe. Nach seiner Erfahrung, die keine persönliche war. Er selbst war Spezialist für die langsam wachsenden Gefühle. Und selbst auf diesem Gebiet beschränkten sich seine Erfahrungen auf die Zeit mit Norina.
    Sie hatten sich beim dreißigsten Geburtstag eines gemeinsamen Bekannten kennengelernt. Sie hatte zuviel getrunken, er hatte sie nach Hause gebracht, sie hatte gefragt, ob er die Situation ausnützen würde, wenn sie ihn noch auf einen Kaffee heraufbitte, er hatte ja gesagt. »Ein ausgeuferter One-Night-Stand«, so hatte er ihre Beziehung Lucas gegenüber einmal genannt.
    Er war

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