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Ein perfekter Freund

Ein perfekter Freund

Titel: Ein perfekter Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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nicht verknallt gewesen, keine Regenspaziergänge, keine durchgeküßten Kinobesuche, keine Nächte am Telefon.
    Aber etwas mehr als üblich war es schon gewesen. Und sie hatten darauf aufgepaßt. Nach einem halben Jahr war er zu Norina gezogen. Wenn er auf Reportage war oder sie auf einem Dreh, hatte er sie vermißt. Er hatte sich gefreut, wenn er sie wiedersah, und ihr gesagt, er liebe sie. Und er war ihr treu gewesen, bis auf ein einziges, uneingestandenes Mal.
    Natürlich hatte er sich - in letzter Zeit immer öfter - gefragt, ob es das nun gewesen sei. Ob er die Frau gefunden habe, mit der er alt werden würde. Ohne erfahren zu haben, wie es war, wenn man über Nacht Kopf und Herz verlor. Und jetzt, wo es ihm vielleicht widerfahren war, hatte er zu Kopf und Herz auch die Erinnerung daran verloren.
    Fabio drückte die Zigarette aus und ging ins Zimmer. Unter seinem Schreibtisch stand ein schwarzer Rollkorpus. In dessen oberster Schublade bewahrte er sein Handheld auf. Einen kleinen Taschencomputer, der ihm als Notiz und Adreßbuch diente. An der üblichen Stelle lag es nicht. Er durchsuchte das ganze Möbel. Die andern Dinge lagen an ihrem gewohnten Platz, das Handheld fehlte.
    Er klappte sein Powerbook auf und schaltete es ein. Der Gong, mit dem es startete, klang überlaut durch die Wohnung. Fabio stand auf und warf einen Blick ins Schlafzimmer. Marlen hatte sich wieder freigestrampelt. Sie lag mit gespreizten Armen und Beinen auf dem Rücken und atmete regelmäßig. Er betrachtete sie eine Weile, dann breitete er wieder die Decke über sie.
    Der Bildschirm war jetzt hell. Fabio setzte sich davor und startete das Handheld-Programm. Er hatte sich angewöhnt, die Termine, Adressen und Notizen seines Taschencomputers zweimal wöchentlich - an jedem Sonntag und Mittwoch - auf der Festplatte seines Powerbooks zu sichern. Deswegen wunderte er sich, daß die letzte Datensicherung das Datum des sechsten Juni trug. Demnach hatte er über zwei Wochen vor dem Ereignis keine mehr gemacht, fehlten vier Sicherungen. Auch in dieser Beziehung hatte er sich geändert.
    Vielleicht lagen die neueren Daten im Computer in der Redaktion. Er nahm sich vor, sie am nächsten Morgen zu übertragen.
    Er schaltete sein Powerbook aus und nahm einen Stenoblock aus der Schublade. Davon hatte er immer einen Vorrat. Er konnte nicht stenographieren, aber die Blocks waren handlich für Interviews.
    Er notierte, was er am nächsten Tag tun wollte: Termin mit Lucas (was war alles seit 8. Mai?) Daten und Sachen von der Redaktion abholen Marlen wegen Handheld fragen Er ging ins Schlafzimmer zurück. Marlen war noch immer zugedeckt. Leise und vorsichtig schlüpfte er zu ihr unter die Decke. Er schloß die Augen und versuchte einzuschlafen. Jetzt fiel ihm auf, daß sie nicht mehr tief und regelmäßig atmete. Kurz darauf spürte er ihre Hand, die sich zwischen seine Beine stahl.
    Kaffeeduft weckte ihn. Er schlug die Augen auf und sah Marlen. Sie war angekleidet und hielt ein Tablett in der Hand.
    »Frühstück im Bett«, verkündete sie.
    Fabio setzte sich auf und stopfte sich das Kissen hinter den Rücken. Auf dem Tablett waren eine Tasse Milchkaffee, zwei aufgebackene Kipfel, Butter, Honig, ein weiches Ei, Salz und Pfeffer. »Und du?« fragte er.
    »Ich habe schon gefrühstückt.« Sie setzte sich auf den Bettrand. Ihr Kuß schmeckte nach Zahnpasta. »Was willst du mich wegen des Handhelds fragen?« Sie hatte seine Notizen auf dem Schreibtisch gelesen.
    »Weißt du, wo es sein könnte? In der Schublade ist es nicht.«
    »Vielleicht ging es verloren, als es passierte.«
    Fabio nahm einen Schluck Kaffee. Er roch besser, als er schmeckte. »Ich glaube nicht, daß ich es bei mir hatte. Das Handy hatte ich ja auch hiergelassen.«
    »Nein, das Handy hattest du dabei. Es war bei deinen Sachen im Krankenhaus. Ich hatte es hierhergebracht, die Batterie war leer.«
    »Hast du auch den Rufton verändert?«
    »Der Bolero? Nein, das warst du.« Marlen lachte. »Du fandest es sexy.«
    Fabio schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Nur wenn ich anrufe, spielt es den Bolero. Du hast es so programmiert. Du hast gesagt, es mache dich scharf.«
    »Mein Gott!«
    Sie lachte, gab ihm einen Kuß und stand auf. »Ich komme zu spät. Schönen Tag. Vergiß die Physiotherapie nicht. Zehn Uhr.«
    Sie ging aus dem Zimmer und kam noch einmal zurück. »Ich ruf dich an.«
    »Nein, besser, ich rufe dich an.«
    Nach dem Frühstück rief er Norina an. Nach dem dritten Klingeln meldete

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