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Ein perfekter Freund

Ein perfekter Freund

Titel: Ein perfekter Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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und wandte sich wieder dem Bildschirm zu.
    »Davon würde ich mich lieber selbst überzeugen.«
    »Bitte.« Er begann zu tippen.
    Fabio begann die Geduld zu verlieren. »Ich meine, ich würde gerne einen Blick in Ihren Computer werfen.«
    »Da ist nichts mehr von Ihnen. Alles gelöscht.«
    Fabio legte ihm die Hand auf die Schulter. »Genau davon will ich mich selbst überzeugen. Und zwar jetzt.«
    Der Nachfolger seufzte und sicherte sein Dokument. Während er Fabio Platz machte, maulte er: »So gut, daß ich dir Ideen klauen würde, habe ich dich nie gefunden.«
    Fabio ignorierte die Bemerkung. Er setzte sich vor den Bildschirm. Berla uer stand unter dem Symbol der Festplatte, die früher Rossi hieß. Fabio ließ das Suchprogramm nach Dokumenten suchen, die vor dem ominösen einundzwanzigsten Juni kreiert oder geändert worden waren. Das Suchresultat bestand aus etwas über zweihundert Dateie n. Er ging die Namen durch, einen nach dem andern. Berlauer hatte recht gehabt: Seine Dateien waren alle gelöscht.
    »Und der Inhalt der Schubladen?« fragte Fabio. Berlauer deutete auf eine Kartonschachtel unter Lucas' Schreibtisch. Auch sie war fein säuberlich mit Rossi persönlich beschriftet. Er hob sie auf die Tischplatte und durchsuchte sie. Das meiste war Schubladenplunder, der sich im Lauf der Jahre angesammelt hatte. Fabio nahm eine Badehose, ein Frottiertuch, einen Stadtplan, ein Mäppchen mit der Aufschrift Erledigen!, eine Sonnenbrille, der eine Bügelscharnierschraube fehlte, einige Tonbänder mit Interviews und ein Exemplar vom SONNTAG- MORGEN mit der Lokführergeschichte mit. Er verstaute alles in die Tragetasche der exklusiven Boutique BOX!, die, aus welchem Grund auch immer, sorgfältig gefaltet ebenfalls in der Schachtel lag, schulterte seine Computertasche und ging.
    »He!« rief ihm Berlauer nach. »Und der andere Mist?«
    »Für Ihren Fabio-Rossi-Hausaltar.«
    An seinem gewohnten Geldautomaten steckte Fabio seine Karte ein und tippte 110682. Der Apparat rasselte und surrte. Dann erschien ein Text am Bildschirm. Karte eingezogen stand da. Sonst nichts.
    »Scheiße!« schrie Fabio und hieb mit der Faust gegen den Kasten.
    »He, he«, sagte hinter ihm eine Stimme. Fabio drehte sich um. Sie gehörte einem Mann mit einer Krawatte voller Sonnenblumen. »Da kann doch der Apparat nichts dafür, daß Sie kein Geld auf dem Konto haben.«
    Seit zwanzig Minuten stand Fabio am Kundendienstschalter seiner Bank. Einer der zwei Plätze war leer bis auf ein verchromtes Schild mit dem Namen Lea Mitrovic. Am anderen hatte die Frau am Schalter - Anna Gartmann stand auf ihrem Schild - einem umständlichen älteren Herrn geholfen, einen Kontoantrag auszufüllen. Danach hatte sie eine Dame in den Tresorraum begleitet und war lange weggeblieben. Jetzt führte sie mit unterdrückter Stimme in defensivem Tonfall ein Telefongespräch. Als sie auflegte, hatte sich ihre Laune weiter verschlechtert.
    »Meine Karte wurde eingezogen«, begann Fabio, so gefaßt wie möglich, und gab ihr seine Kontonummer.
    »Haben Sie einen Ausweis?«
    Fabio hatte keinen. »Aber Frau Seiler kennt mich.« Er deutete zu den Bankschaltern.
    »Frau Seiler ist nicht mehr bei uns.«
    »Ach, das wußte ich nicht, ich war schon länger nicht mehr hier«, erklärte Fabio. Und fügte mit Nachdruck hinzu: »Ich beziehe nämlich normalerweise mein Geld am Automaten.«
    »Ich brauche einen Ausweis«, wiederholte Anna Gartmann und ließ ihren Blick gelangweilt durch die Schalterhalle schweifen.
    »Ich sage Ihnen doch, ich habe keinen dabei. Herr Wieland, rufen Sie Herrn Wieland, er ist mein Kundenberater.«
    Sie seufzte. »Herr Wieland ist noch bis Ende der Woche in den Ferien.« Sie wandte sich an den Kunden hinter Fabio.
    In diesem Moment tauchte eine junge Frau hinter dem Schalter auf und setzte sich hinter das Schild von Lea Mitrovic. Sie lächelte Fabio an. »Guten Tag, Herr Rossi, wie geht's?«
    »Gut, jetzt, wo ich Sie sehe«, seufzte er erleichtert. Er hatte keine Ahnung, wer die Frau war.
    Eine halbe Stunde später verließ Fabio die Bank mit zwei neuen Erkenntnissen: Er hatte irgendwann in den vergangenen fünfzig Tagen seinen Code geändert. Und: Auf seinem Konto lagen über zehntausend Franken dank einer größeren Überweisung vom SONNTAG-MORGEN, die verdächtig nach Schlußabrechnung aussah. Sie stammte vom achtundzwanzigsten Juni. Rufer hatte also von seinem Angebot, auch vor dem offiziellen Termin auszuscheiden, Gebrauch gemacht, während Fabio bereits

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