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Ein perfekter Freund

Ein perfekter Freund

Titel: Ein perfekter Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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der Möwe wieder. Als einziger Europäer in einer Gruppe lächelnder Japaner aß er einen Seeteller: in Streifen geschnittenen Kopfsalat an einer weißen Fertigsoße, mit drei Sorten Käse garniert.
    Der Mann, der Fabio gegenübersaß, sah aus wie ein alter Samurai. Er hatte den Salat gegessen und machte sich jetzt am Käse zu schaffen. Er zog die Folie von der Butterportion, schnitt mit Messer und Gabel ein Stück Butter heraus, strich es auf den Emmentaler, schnitt davon ein Stück ab, spießte es auf die Gabel und kaute es gründlich.
    Die Frau neben ihm trug ein Kopftuch mit Sonnenschild und einen Mundschutz wie ein Chirurg. Zum Essen streifte sie ihn kurz ab, danach zog sie ihn wieder hoch.
    Aus den Lautsprechern erklang eine Polka, unterbrochen von mehrsprachigen Durchsagen zu den wenigen Sehenswürdigkeiten am Ufer.
    Fabio ließ die Landschaft vorbeiziehen und fragte sich, was ihn hierher verschlagen hatte.
    Erst als die Möwe gewendet hatte und am rechten Seeufer entlang zurück zur Stadt dampfte, wußte er die Ant wort. Er stand auf und löste damit bei seinen Tischgenossen viel Nicken und Lächeln aus. Er ging zum Heck und lehnte sich an die Reling.
    Sie fuhren keine fünfzig Meter an der Villa Tuskulum vorbei. Das Floß war leer. Am Ufer lagen drei bunte Badetücher. Aus der Terrassentür strömten Leute und gingen auf das Catering-Zelt zu. Einen Moment lang glaubte er, Norina zu erkennen, aber er war sich nicht sicher.
    Er konzentrierte sich auf eine Bugwelle und schaute ihr nach, bis sie an die moosige Ufermauer vor dem Tuskulum schwappte. Kurz darauf verschwand die Villa hinter der großen Trauerweide.
    Fabio nahm das Tram zum Amselweg und ging durch die fremde Straße, die fremde Haustür, das fremde Treppenhaus in die fremde Wohnung. Er zog sich aus bis auf die Boxershorts , schenkte sich ein Mineralwasser ein und trank es halb sitzend, halb liegend auf dem fremden Sofa.
    Er tauchte den Finger ins Glas, ließ einen kühlen Tropfen auf die Brust fallen und schaute zu, wie er sich seinen Weg über die Haut suchte. Sobald er im Bauc hnabel versickert war, fischte er einen frischen aus dem Glas und verfolgte dessen Weg auf seinem Körper. Er fühlte sich wie ein Fremder im eigenen Leben.
    Fabio raffte sich auf und trat auf den Balkon. Er schaute auf den Rasen hinunter.
    Dem obersten Ring des Kinderbassins war die Luft ausgegangen. Der Wasserspiegel reichte bis an den Rand des zweitobersten. Eine gelbe Plastikschaufel trieb im Wasser. Niemand war zu sehen. Und nichts zu hören außer der dünnen Stimme eines kleinen Kindes, das sich in den Schlaf weinte.
    Fabio hatte Lust auf eine Zigarette. Auf dem Schreibtisch, dem Beistelltisch, der Frühstückstheke und dem Schminktisch fand er keine. Er öffnete die Küchenschublade, in der Marlen ihren Vorrat aufbewahrte. Nur die leere Hülle einer Stange lag noch da.
    Er ging zurück auf den Balkon und lehnte sich an die Brüstung. Wie vor kurzer Zeit an die Reling der Möwe, als sie unaufhaltsam und mit schlaffer Fahne an Norina vorbeiglitt.
    Der Gedanke an die Zigarette hatte sich festgesetzt. Fabio ging wieder hinein und begann systematisch zu suchen.
    Weder in der Wohnküche noch im Bad fand er etwas. Er ging ins Schlafzimmer und arbeitete sich durch seine Kleider. Wenn er tatsächlich in den fünfzig Tagen geraucht hatte, war es möglich, daß er in einer Jackentasche ein Päckchen vergessen hatte. Er fand nichts außer einer zerknitterten Quittung in der Brusttasche eines gefütterten Baumwolljacketts. Eine Taxifahrt im Mai.
    Er klopfte Marlens Kleider ab, die an den Bügeln hingen, danach nahm er sich die Wäscheschubladen vor, zuerst seine, dann ihre. Er fand nichts. Außer der Erkenntnis, daß er gestern nacht längst nicht alles gesehen hatte, was Marlen an Reizwäsche zu bieten hatte.
    In der rechten Schublade ihres Schminktisches fand er endlich, wonach er suchte. Ein angebrochenes Päckchen ihrer extraleichten Zigaretten lag zwischen allerlei Stiften, Tiegeln, Pinseln, Töpfchen und Quasten. Ein Ort, auf den er früher hätte kommen können. Marlen rauchte beim Schminken wie ein Musicalstar.
    Als er das Päckchen herausnahm, wurde dahinter etwas sichtbar, das aussah wie eine Taschenlampe. Er zog die Schublade weiter heraus. Es war ein verchromter Dildo. Fabio schaltete ihn ein. Ein diskretes Summen ertönte, wie von etwas Teurem, sorgfältig Verarbeitetem. Die Vibrationsintensität war stufenlos regulierbar. Selbst auf der Klimax war der Kunstpenis

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