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Ein perfekter Freund

Ein perfekter Freund

Titel: Ein perfekter Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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fort, eine nach der anderen auszulöschen.
    »Scheißjets«, sagte Fabio.
    »Das ist heute schon das vierte Mal«, stöhnte Norma. »Sonst fliegen die hier nie.«
    Er stand jetzt dicht vor ihr. »Wie stehen wir zueinander: Geben wir uns einen Kuß oder nur die Hand?«
    Sie ging nicht darauf ein. »Wie geht es dir?«
    »Ein bißchen… seltsam. Und dir?«
    »Gut.« Die Antwort kam schnell.
    Fabio nickte. Der junge Mann mit der Styroporplatte verließ den Salon.
    »Ich muß mich abscheulich benommen haben. Keine Ahnung, was in mich gefahren war.«
    »Ich weiß. Du hast alles vergessen.«
    »Stimmt leider. Ab dem achten Mai.«
    Norina verwandelte Flamme um Flamme in grazile Rauchsäulen. »Ich hingegen erinnere mich genau, Fabio.«
    »Jetzt fragt es sich, was schlimmer ist: erinnern oder vergessen.«
    »Am besten, jeder versucht das zu tun, was ihm mehr hilft.«
    Nur noch wenige Kerzen brannten. Norinas Gesicht wurde immer dunkler.
    »Vielleicht nicht. Vielleicht sollten wir miteinander reden. Vielleicht hilft das beiden.«
    Norina hatte die letzte Flamme erstickt und stand jetzt reglos und schemenhaft am Altar. »Also, reden wir.«
    »Hier?«
    Er konnte ein schwaches Nicken erahnen.
    »Womit sollen wir anfangen? Mit Marlen?«
    »Mit Fredi.«
    »Warum mit ihm?«
    »Als er auftauchte, fing es an.«
    »Was?«
    »Deine Veränderung.«
    »Fredis schlechter Einfluß also.«
    Norina mußte sein Lächeln erraten haben. »Das ist nicht komisch. Fredi hat dich beeindruckt. Du wolltest sein wie er.«
    »Ich? Wie Fredi?« Fabio lachte auf.
    Norina blieb sachlich. »Vielleicht nicht nur. Aber auch. Du wolltest zwischen Fredis Welt und unserer hin und herschwadronieren. Das war das Problem. Nicht Marlen. Sie war nur eine Nebenerscheinung.«
    Eine Stimme rief von der Tür: »Norina? Renato sucht dich.«
    »Sag ihm, ich komme gleich«, antwortete sie.
    »Wegen einer Nebenerscheinung hast du mich rausgeschmissen?«
    »Du hast gesagt, du seist auf Reportage am Genfersee, hast mich sogar von dort angerufen und bist mit Marlen im République gesehen worden. Wir haben uns nächtelang gestritten und versöhnt. Ein paar Tage später habe ich dich bei ihr erreicht, als du angeblich auf Recherche warst.«
    Fabio schwieg betroffen.
    »Und weißt du, was? Nicht, daß du mich nach so kurzer Zeit wieder belogen hast, war der Grund, daß ich mich trennen mußte. Der Grund war, daß ich das getan habe: sie anzurufen und dich zu verlangen. Das war der Beweis, daß ich das Vertrauen verloren hatte. Ich kann nicht mit einem Mann zusammenleben, dem ich nicht vertraue.«
    Das Licht ging an, und ein Mann in Kochkleidung stürmte herein. »Norina?« rief er. Es klang wütend.
    »Ja?«
    »Laut Drehplan ist Essen um fünf. Jetzt ist es vier.«
    »Was kann ich dafür, wenn die da oben Krieg spielen?« Auch Norina klang gereizt.
    »Und was mach ich jetzt? Die stürmen mir die Bude, Scheiße!«
    Norina explodierte. »Improvisieren«, schrie sie ihn an , »Scheißescheißescheiße!«
    Vor dem Catering-Zelt drängte sich eine seltsame Gesellschaft in verschiedenen Stadien der Verkleidung. Ein Sattelschlepper voller Oldtimer versperrte die Einfahrt. Fabio mußte eine Viertelstunde warten, bis er sich aufs Fahrrad schwingen und losfahren konnte.
    Erhitzt und ausgepumpt kam er in der Wohnung an. Das bißchen Höhenunterschied zwischen See und Amselweg hatte ihn Kraft gekostet. Es war schwül. Am Himmel hatten sich gewaltige Wolkentürme aufgebaut. Hoffentlich die Vorzeichen eines Gewitters.
    Er duschte kalt, zog frische Sachen an und setzte sich mit Ringbuch und Agenda an den Schreibtisch.
    An welcher großen Sache war er gewesen? Sarah dachte, sie hänge mit der Lokführergeschichte zusammen.
    Er holte die BOX!-Tragetasche mit den Sachen, die er aus der Redaktion mitgebracht hatte, unter dem Schreibtisch hervor und packte ihren Inhalt auf den Schreibtisch. In der alten Nummer vom SONNTAG-MORGEN las er die Lokführergeschichte noch einmal aufmerksam durch.
    Er war offensichtlich auf Erwin Stoll, den jungen Lokführer, hereingefallen. Er hatte ihm viel Platz gewidmet und dessen Standpunkt, daß es eine Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Lokführer sei, sich vor den Zug zu werfen, zum Aufhänger gemacht. Unter diesem Aspekt hatte er auch die anderen Lokführer interviewt. Sarah hatte recht: nicht seine beste Geschichte.
    Unter den Dingen aus der Redaktion befanden sich auch ein paar Tonbandkassetten. Auf einer stand: »E. Stoll.« Fabio legte sie in sein kleines

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