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Ein perfektes Leben

Ein perfektes Leben

Titel: Ein perfektes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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begabtes Kind, weißt du? Hatte sich auf die lateinamerikanische Mathematik-Olympiade vorbereitet. Kannst du dir das vorstellen? Gestern Morgen hat man ihn vor seinem Elternhaus umgebracht, um sein Fahrrad zu klauen. Totgeschlagen haben sie ihn, zu mehreren. Als er ins Krankenhaus eingeliefert wurde, war er schon tot. Schädelbruch, beide Arme gebrochen, mehrere Rippen und ich weiß nicht was sonst noch. Als wär er unter einen Zug gekommen. Aber es war kein Zug, es waren Menschen, die ein Fahrrad wollten. Was soll das nur, Conde? Wie ist so viel Gewalt möglich? Ich müsste ja an solche Dinge ge wöhnt sein, oder? Aber ich hab mich bis jetzt nicht daran gewöhnt, Conde, nie! Im Gegenteil, es erschüttert mich von Mal zu Mal mehr, nimmt mich immer mehr mit. Ganz schön beschissen, unser Job, was?«
    »Allerdings«, sagte Mario Conde und stand auf. Er ging zu seinem Kollegen hinüber. »Aber was soll man machen, Capitán, verdammt noch mal? So was passiert eben … «
    »Aber es gibt Leute, die sich solche Dinge nicht mal vorstellen können«, unterbrach Jorrín den Versuch des Teniente, ihn zu trösten. Er starrte wieder aus dem Fenster. »Heute Morgen war ich auf der Beerdigung des Jungen, und da wurde mir klar, dass ich zu alt bin zum Weitermachen. Scheiße noch mal, ich weiß nicht … Ein Kind umzubringen, um ein Fahrrad zu klauen, dass so was immer noch passiert … Ich weiß nicht, ich weiß nicht … «
    »Kann ich Ihnen einen Rat geben, Maestro?«
    Jorrín schwieg, was »Ja« bedeutete. Mario wusste, an dem Tag, an dem der alte Wolf die Uniform auszog, würde er in eine tödliche, unheilbare Lethargie verfallen. Aber er wusste genauso gut, dass der Capitán vollkommen Recht hatte. Er stellte sich vor, wie er selbst in zwanzig Jahren die Mörder eines Kindes suchen würde, und sagte sich, das halte ich nicht aus.
    »Mir fällt nur eins dazu ein, und ich glaube, dasselbe würden Sie mir sagen, wenn ich an Ihrer Stelle wäre. Finden Sie zuerst diejenigen, die den Jungen umgebracht haben, und dann denken Sie darüber nach, ob sie sich pensionieren lassen sollen.« El Conde ging zur Tür, drückte die Klinke hinunter und fügte dann noch hinzu: »Wer hat uns gezwungen, zur Polizei zu gehen, hm?«
    Er trat auf den Flur hinaus und ging zum Aufzug. Die trübe Stimmung des Maestro hatte sich auf ihn übertragen. Er sah auf die Uhr und stellte ungläubig fest, dass es erst kurz vor halb drei war. Er hatte das Gefühl, einen endlos langen Morgen mit trägen Minuten und zäh dahinfließenden, schwer zu ertragenden Stunden hinter sich gebracht zu haben. Er musste an die Uhren von Dali denken.
    Als er in das Büro des Alten trat und Maruchi fragte, ob er zum Chef hinein könne, summte die Gegensprechanlage. Die Sekretärin bedeutete ihm mit einer Handbewegung, einen Moment zu warten, und drückte auf den roten Knopf. Eine blecherne, durch die mangelhafte Verbindung stotternde Frauenstimme fragte, ob Teniente Conde da oben rumlaufe oder wo er eigentlich stecke, nie sei er da. Maruchi sah ihn an, drückte einen anderen Knopf, sagte »Er steht vor mir« und drückte wieder den roten Knopf.
    »Dann sag ihm, ich hab hier einen Anruf für ihn in der Leitung, von einer Tamara Valdemira. Soll ich verbinden?«
    »Sag ihr, sie soll, sonst beißt sie mich noch«, flüsterte El Conde und ging zu dem grauen Telefon.
    »Leg das Gespräch rüber, Anita«, bat Maruchi und fügte hinzu: »Ich glaube, es interessiert ihn.«
    Der Teniente legte die Hand auf den Hörer, und schon läutete das Telefon. Als es zum zweiten Mal läutete, sah er die Sekretärin an, hob jedoch den Hörer nicht ab.
    »Ich bin aufgeregt«, gestand er der jungen Frau und hob entschuldigend die Schultern, »was soll ich machen?« Er wartete das dritte Läuten ab, dann erst meldete er sich: »Ja, bitte.« Maruchi beobachtete ihn.
    »Mario? Mario? Ich bins, Tamara.«
    »Ja, was gibts?«
    »Ach, nichts Besonderes, aber vielleicht interessiert es dich.«
    »Ich dachte schon, Rafael wär wieder da … Also, schieß los.«
    »Ich war in der Bibliothek und hab Rafaels Notizbuch mit seinen Telefonnummern gesehen, es lag neben dem Apparat und … naja, ich weiß nicht, vielleicht ist es unwichtig.«
    »Nun spucks schon aus, los«, forderte er Tamara auf. Er sah wieder Maruchi an. Die sind alle gleich, gab er ihr durch einen Seufzer zu verstehen.
    »Ach nichts, Mario, das Notizbuch war auf der Seite Z aufgeschlagen.«
    »Hör mal, willst du mir erzählen, dass Rafael der Zorro

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