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Ein perfektes Leben

Ein perfektes Leben

Titel: Ein perfektes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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in Bewegung gerät und ihr in die Stirn fällt. »Es war alles furchtbar hektisch, unglaublich. Sich damit abzufinden, dass Papa nun tot war, das war sehr hart, weißt du?«
    Er nickt und verspürt plötzlich wieder Lust zu rauchen. Gespräche über den Tod regen immer seine Lust zu rauchen an. Auf dem Schreibtisch entdeckt er einen Aschenbecher aus Ton. Er ist erleichtert, dass es kein Mörser ist, keiner aus Muranoglas oder aus Sargadelos-Keramik, handbemalt, aus der Sammlung des Dr. Valdemira. Sie ist indessen aufgestanden und geht zu der kleinen Hausbar, die in einen Flügel des Bücherschranks eingelassen ist.
    »Ich möchte mit dir anstoßen. Ich glaube, wir haben beide einen Schluck nötig.« Nach diesem Allgemeinplatz gießt sie Whisky aus einer fast quadratischen Flasche in zwei hohe Gläser. »Ich mag ihn gerne pur, und du? Ich weiß nicht, Eis nimmt einem guten schottischen Whisky das Aroma.«
    »Ballantine’s, stimmts?«
    »Aus Rafaels spezieller Reserve«, sagt sie und reicht ihm ein Glas. »Glück und Gesundheit.«
    »Gesundheit und Pesos für den Tresor«, entgegnet er. »Schönheit besitzen wir ja reichlich.« Er probiert den Whisky und spürt die sanfte Wärme auf der Zunge, in der Kehle, im leeren Magen. Sogleich fühlt er sich besser.
    »Wer ist Zoila, Mario?«
    Er öffnet sein Jackett und trinkt einen zweiten Schluck. »Hatte er was mit anderen Frauen?«
    »Ich bin mir nicht sicher, aber ehrlich gesagt, ich bin immer weniger daran interessiert, Rafael hinterherzuspionieren. Ich habe keine Ahnung, was er so treibt.«
    »Was soll das heißen?«
    »Das heißt, dass Rafael sich kaum noch zu Hause blicken lässt. Immer ist er auf Reisen oder auf Versammlungen, und, wie gesagt, ich bin nicht daran interessiert, ihm hinterherzuspionieren. Aber das interessiert mich jetzt. Wer ist Zoila?«
    »Das wissen wir noch nicht. Sie war seit einigen Tagen nicht mehr zu Hause. Wir sind dabei, sie ausfindig zu machen.«
    »Und du glaubst wirklich, dass Rafael …?« Ihr Entsetzen ist echt.
    Er versteht sie nicht gleich und fühlt sich unbehaglich. Sie schaut ihn fragend an.
    »Ich weiß es nicht, Tamara. Deswegen habe ich dich nach eventuellen Frauengeschichten gefragt. Du müsstest mir das beantworten können.«
    Sie nippt an ihrem Glas und versucht zu lächeln, aber ohne Erfolg. »Ich bin ziemlich durcheinander, Mario. Das Ganze kommt mir wie ein schlechter Scherz vor, und dann wieder denke ich, nein, das ist ein Albtraum, Rafael ist mal wieder auf Reisen, nichts weiter, es ist nichts passiert, und es wird nichts passieren, gleich kommt er zur Tür herein«, sagt sie, und er kann nicht anders, er muss zur Tür sehen. »Ich brauche Beständigkeit, Mario, ohne Beständigkeit kann ich nicht leben, verstehst du mich?«
    Er versteht sie. Es ist leicht, ihr Bedürfnis nach Be ständigkeit zu verstehen, denkt er, und er sieht sie noch einen Schluck trinken und die Wärme des Whiskys spüren. Sie zieht den Reißverschluss ihres Overalls gefährlich weit nach unten. Er würde sie gerne ansehen, versucht sich auf sein Glas zu konzentrieren, doch es gelingt ihm nicht. Er fühlt, dass er eine Erektion hat. Was soll das?, fragt er sich, was ist das für ein Geheimnis? Andere Leute fallen auf der Straße nicht in Ohnmacht, nur weil sie Tamara sehen, und dir bleibt die Luft weg! Er hat es immer noch nicht geschafft, das Verlangen, das diese Frau in ihm hervorruft, aus seinem Kopf zu verbannen. Er schlägt die Beine übereinander, um seine Begierde gewaltsam dem Gesetz der Schwerkraft zu unterwerfen. Aus, Leoncito!
    »Ich glaube nicht, dass Rafael dazu fähig ist«, sagt sie, »ich glaube es einfach nicht. Ob er schon mal mit einer anderen Frau ins Bett geht? Also, ehrlich gesagt, wissen tu ichs zwar nicht, aber ich nehme es an. Ihr Männer seid ja für so was zu haben, oder nicht? Aber ich glaube nicht, dass er es wagt, mit einer Frau durchzubrennen und sich mit ihr zu verstecken. Ich kenne ihn wohl zu gut, um mir das vorstellen zu können.«
    »Ich glaube das auch nicht. Ich glaube es nicht«, wiederholt auch er mit Überzeugung. Er wird doch nicht all das einfach so aufgeben, denkt er, und Zoilita ist nicht die Herzogin von Windsor. Bei anderen Dingen weiß ich nicht, aber in diesem Fall bin ich mir sicher.
    »Und was hast du sonst noch rausgekriegt?«
    »Dass ein Spanier namens Dapena durchgedreht ist, als er dich gesehen hat.«
    Sie reißt die Augen auf. Wie kann sie die Augen nur so weit aufreißen, fragt er sich. Sie hebt

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