Ein plötzlicher Todesfall
Räumlichkeiten und deren Nutzer grundsätzlich so hinnehmen, wie er diese vorfindet) â¦
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Charles Arnold-Baker Gemeindeordnung
Siebte Auflage
I
Der Gemeinderat von Pagford verfügte für einen so kleinen Ort über beträchtliche Macht. Er traf sich einmal im Monat in einem schönen viktorianischen Gemeindesaal, und alle Versuche, sein Budget zu beschneiden, seine Befugnisse aufzuweichen oder ihn in irgendeine neumodische Verwaltungseinheit zu integrieren, waren jahrzehntelang entschieden und erfolgreich abgewehrt worden. Von allen Gemeinderäten, die unter der Oberaufsicht der Stadt Yarvil standen, war der von Pagford stolz darauf, der aufmüpfigste, der lauteste und der unabhängigste zu sein.
Bis zum Sonntagabend hatte er aus sechzehn Männern und Frauen aus dem Ort bestanden. Und alle sechzehn Gemeinderäte hatten ihren Sitz ohne Gegenstimme erhalten, da die Wähler davon ausgingen, dass allein der Wunsch, dem Gemeinderat anzugehören, Kompetenz voraussetzte.
Doch dieses einvernehmlich ernannte Gremium befand sich gegenwärtig im Zustand des Bürgerkriegs. Eine Angelegenheit, die schon seit mehr als sechzig Jahren die Gemüter in Pagford bis zur WeiÃglut erhitzt hatte, war in eine entscheidende Phase getreten, und hinter zwei charismatischen Anführern hatten sich Fraktionen gebildet.
Um die Ursache für den Konflikt wirklich zu begreifen, musste man das ganze Ausmaà der Abneigung und des Misstrauens gegenüber der nördlich von Pagford gelegenen Stadt Yarvil kennen.
In den Geschäften, Firmen und Fabriken in Yarvil sowie im Kreiskrankenhaus South West fanden die meisten Menschen aus Pagford Arbeit. Die Pagforder Jugend verbrachte den Samstagabend für gewöhnlich in den Kinos und Nachtclubs von Yarvil. Die Stadt hatte eine Kathedrale, mehrere Parks und zwei riesige Einkaufszentren vorzuweisen, deren Besuch sich durchaus lohnte, wenn man sich an Pagfords unbestritten schönen Reizen sattgesehen hatte. Doch für echte Pagforder war Yarvil wenig mehr als ein notwendiges Ãbel. Ein Symbol dieser Einstellung war der hohe Hügel, gekrönt von der Pargetter Abtei, der von Pagford aus den Blick auf Yarvil verstellte und den Einwohnern zu der glücklichen Illusion verhalf, die Stadt sei um Meilen weiter entfernt, als es tatsächlich der Fall war.
II
Nun fügte es sich jedoch, das Pargetter Hill auch noch den Blick auf etwas anderes verstellte, das Pagford seit je als sein spezielles Eigentum betrachtet hatte: Sweetlove House. Ein honigfarbenes Herrenhaus im Queen-Anne-Stil von exquisiter Schönheit, umgeben von vielen Hektar Parklandschaft und Weideland. Es lag in den Gemeindegrenzen von Pagford, auf halbem Weg zwischen dem kleinen Ort und dem groÃen Yarvil.
Fast zweihundert Jahre lang war das Haus ohne Aufsehen von einer Generation der aristokratischen Sweetloves auf die nächste übergegangen, bis die Familie zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts ausstarb. Von der langen Verbindung der Sweetloves zu Pagford zeugten nur noch das gröÃte Grabmal auf dem Friedhof von St. Michael and All Saints sowie ein paar vereinzelte Wappen und Initialen auf Urkunden und Gebäuden des Ortes, die sich wie fossilierte Ãberreste ausgestorbener Lebewesen ausnahmen.
Nach dem Tod des letzten Sweetlove hatte das Herrenhaus mit alarmierender Geschwindigkeit die Besitzer gewechselt. In Pagford herrschte die ständige Furcht, dass irgendein Bauherr das geliebte Wahrzeichen kaufen und verschandeln würde. Dann hatte in den 1950er Jahren ein Mann namens Aubrey Fawley den Besitz erworben. Bald sickerte durch, dass Fawley über ein beträchtliches Privatvermögen verfügte, das er auf mysteriöse Weise an der Börse von London vermehrte. Er hatte vier Kinder und den Wunsch, sich auf Dauer niederzulassen. Pagford geriet darüber in noch gröÃeres Entzücken, als sich rasch herumsprach, dass Fawley durch eine Nebenlinie von den Sweetloves abstammte. Dadurch war er praktisch schon fast ein Einheimischer, ein Mann, der sich selbstverständlich Pagford und nicht Yarvil verbunden fühlen würde. Die Alteingesessenen von Pagford glaubten, dass mit Aubrey Fawley das goldene Zeitalter zurückkehrte. Er würde der gute Geist des Ortes sein, genau wie seine Vorfahren, würde Glanz und Gloria in ihre SträÃchen bringen.
Howard Mollison konnte sich noch gut erinnern, wie seine Mutter mit der Neuigkeit in
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