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Ein plötzlicher Todesfall

Ein plötzlicher Todesfall

Titel: Ein plötzlicher Todesfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne K. Rowling
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widersprechen, doch der Impuls wurde von ihrer Erschöpfung erdrückt. Krystal hatte ohnehin recht, sagte ein rationaler Teil in Tessa. Der Ruderachter war am Ende. Niemand außer Barry hätte Krystal Weedon dazu gebracht, in einer Gruppe mitzumachen und dabeizubleiben. Sie würde aussteigen, das wusste Tessa. Vermutlich wusste Krystal es auch. Eine Weile saßen sie schweigend da, und Tessa war zu müde, Worte zu finden, mit denen sie die Atmosphäre zwischen ihnen noch hätte ändern können. Sie fröstelte, fühlte sich ungeschützt, wund bis auf die Knochen. Sie war seit über vierundzwanzig Stunden wach.
    (Samantha Mollison hatte sie abends um zehn aus dem Krankenhaus angerufen, gerade als Tessa nach einem langen Bad aus der Wanne gestiegen war, um sich die Nachrichten auf BBC anzusehen. Sie hatte sich wieder angezogen, während Colin unartikulierte Laute von sich gab und gegen die Möbel stieß. Sie hatten nach oben gerufen, um ihrem Sohn Bescheid zu geben, dass sie gingen, und waren dann zum Auto gerannt. Colin war viel zu schnell nach Yarvil gefahren, als könne er Barry wieder zum Leben erwecken, wenn er die Fahrt in Rekordzeit schaffte; der Realität ein Schnippchen schlagen und sie nach eigenen Wünschen formen.)
    Â»Wenn Sie nicht mit mir reden, geh ich«, sagte Krystal.
    Â»Sei nicht so grob, Krystal, bitte«, sagte Tessa. »Ich bin heute wirklich müde. Mr Wall und ich waren gestern Nacht im Krankenhaus bei Mr Fairbrothers Frau. Die beiden sind gute Freunde von uns.«
    (Mary war völlig zusammengebrochen, als Tessa eingetroffen war. Sie hatte ihr Gesicht mit einem Aufschluchzen an Tessas Hals verborgen. Und während Tessas eigene Tränen auf Marys schmalen Rücken tropften, hatte sie gedacht, dass das Geräusch, das Mary von sich gab, Totenklage genannt wurde. Der Körper, um den Tessa sie so oft beneidet hatte, schlank und klein, hatte in ihren Armen gebebt, kaum fähig, die Trauer zu ertragen, die ihm zugemutet wurde.
    Tessa wusste nicht mehr, wann Miles und Samantha gegangen waren. Sie kannte die beiden nicht besonders gut. Vermutlich waren sie sogar froh gewesen, gehen zu können.)
    Â»Die Frau von ihm hab ich mal gesehn«, sagte Krystal. »Blond, war bei unsern Wettkämpfen.«
    Â»Ja«, sagte Tessa.
    Krystal kaute auf ihren Fingerspitzen.
    Â»Er wollte, dass ich mit der Zeitung rede«, sagte sie plötzlich.
    Â»Wie bitte?«, fragte Tessa verwirrt.
    Â»Mr Fairbrother. Er wollt mich interviewen lassen. Allein.«
    Die Lokalzeitung hatte einmal berichtet, dass der Ruderachter der Winterdown beim Endlauf der regionalen Wettkämpfe als Erster durchs Ziel gekommen war. Krystal, die nicht gut lesen konnte, hatte eine Ausgabe der Zeitung mitgebracht, um sie Tessa zu zeigen, und Tessa hatte ihr den Artikel laut vorgelesen und dazu bewundernde Bemerkungen gemacht. Das war das beste Beratungsgespräch von allen gewesen.
    Â»Wollten sie dich wegen des Ruderns interviewen?«, fragte Tessa. »Wegen der Mannschaft?«
    Â»Nö«, sagte Krystal. »Wegen was anderm.« Dann: »Wann ist Beerdigung?«
    Â»Das wissen wir noch nicht«, sagte Tessa.
    Krystal kaute an den Nägeln, und Tessa brachte nicht die Kraft auf, das Schweigen zu durchbrechen, das sich um sie verfestigte.
    X
    Die Bekanntgabe von Barrys Tod auf der Website des Gemeinderats löste kaum ein Kräuseln auf der Oberfläche aus, sie blieb ein winziger Kieselstein in einem gewaltigen Ozean. Trotzdem wurde an diesem Montagmorgen mehr telefoniert in Pagford, und kleine Menschentrauben bildeten sich auf den schmalen Bürgersteigen, um sich in entsetztem Ton zu vergewissern, ob das stimmte, was sie gehört hatten.
    Während sich die Nachricht verbreitete, fand eine seltsame Veränderung statt. Barrys Unterschrift in den Akten aus seinem Büro und unter den E-Mails im Posteingang seines umfangreichen Bekanntenkreises bekam eine Bedeutung zugeschrieben wie sonst nur die Brotkrümelspur eines verirrten Jungen im Wald. Dieses rasche Gekritzel, diese Pixel, eingegeben von Fingern, die inzwischen auf ewig zum Stillstand gekommen waren, nahmen die makabre Form wertloser Hülsen an. Gavin fühlte sich bereits ein wenig abgestoßen vom Anblick der Kurzmitteilungen seines Freundes auf dem Handy, und eines der Mädchen aus dem Ruderachter, beim Rückweg von der Schulversammlung immer noch in Tränen aufgelöst, wurde fast

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