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Ein plötzlicher Todesfall

Ein plötzlicher Todesfall

Titel: Ein plötzlicher Todesfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne K. Rowling
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nicht Colin aufregen.
    Wenigstens trug er den neuen Anzug, den Tessa ihm in Yarvil gekauft hatte. Im dritten Laden hatte sie die Geduld mit ihm verloren, weil er in allem, was er anprobierte, wie eine Vogelscheuche aussah, schlaksig und unbeholfen, und sie hatte wütend gedacht, dass er das absichtlich tat und den Anzug mit mehr Selbstverständnis hätte ausfüllen können, wenn er nur gewollt hätte.
    Â»Schh«, machte Tessa vorsichtshalber. Fats hatte nichts gesagt, aber Colin näherte sich ihnen, ging den Jawandas voran. In seinem überreizten Zustand verwechselte er anscheinend die Rolle des Sargträgers mit der des Zeremonienmeisters, stand am Kirchenportal und hieß die Leute willkommen. Parminder wirkte in ihrem Sari finster und hager und hatte ihre Kinder im Schlepptau. Vikram, in seinem dunklen Anzug, sah aus wie ein Filmstar.
    Ein paar Meter vom Kirchenportal entfernt wartete Samantha Mollison neben ihrem Mann, schaute hinauf in den weißlichen Himmel und dachte an all den verschwendeten Sonnenschein, der von oben auf die hohe Wolkendecke brannte. Sie weigerte sich, den gepflasterten Pfad zu verlassen – und wenn noch so viele alte Frauen aufs Gras ausweichen mussten –, ihre hochhackigen Lacklederschuhe hätten in die weiche Erde einsinken und schmutzig werden können.
    Wenn Bekannte sie begrüßten, reagierten Miles und Samantha freundlich, aber sie sprachen nicht miteinander. Sie hatten sich am Abend zuvor gestritten. Einige Leute erkundigten sich nach Lexie und Libby, die für gewöhnlich am Wochenende nach Hause kamen, doch beide Mädchen übernachteten bei Freundinnen. Samantha wusste, dass Miles die Abwesenheit der Mädchen bedauerte, denn er liebte es, in der Öffentlichkeit den Familienvater zu spielen. Vielleicht, dachte sie mit einer höchst willkommenen Zornaufwallung, würde er sie und die Mädchen bitten, mit ihm für ein Foto zu posieren, das er in seiner Wahlbroschüre drucken könnte. Sie würde es genießen, ihm genau zu sagen, was sie von der Idee hielt.
    Sie merkte, wie erstaunt er über die rege Beteiligung war. Zweifellos bedauerte er, dass er bei dem bevorstehenden Gottesdienst keine tragende Rolle spielen würde. Das wäre eine ideale Gelegenheit gewesen, vor diesem großen Publikum nichtsahnender Wähler eine heimliche Kampagne für Barrys vakanten Sitz im Gemeinderat in die Wege zu leiten. Samantha nahm sich vor, eine sarkastische Anspielung auf die verpasste Gelegenheit zu machen, wenn sich ein guter Moment ergab.
    Â»Gavin!«, rief Miles beim Anblick eines vertrauten, blondgelockten schmalen Kopfes.
    Â»Hallo, Miles. Hi, Sam.«
    Gavins neue schwarze Krawatte hob sich scharf von seinem weißen Hemd ab. Unter seinen hellen Augen lagen violette Schatten. Samantha beugte sich auf Zehenspitzen vor, was es ihm unmöglich machte, sich auf höfliche Art davor zu drücken, sie auf die Wange zu küssen und ihr schweres Parfüm einzuatmen.
    Â»Recht hohe Beteiligung, oder?«, bemerkte Gavin und schaute sich um.
    Â»Gavin ist einer der Sargträger«, teilte Miles seiner Frau mit, auf genau dieselbe Weise, wie er verkündet hätte, dass einem kleinen und nicht sehr aufgeweckten Kind ein Preis für gute Mitarbeit verliehen worden war. In Wahrheit hatte es ihn ein bisschen überrascht, als Gavin ihm erzählt hatte, dass ihm diese Ehre zuteilgeworden war. Miles hatte sich vage vorgestellt, dass er und Samantha bevorzugte Gäste sein würden, umgeben von einer Aura aus Geheimnis und Wichtigkeit, da sie am Totenbett gewesen waren. Es wäre eine nette Geste gewesen, wenn Mary, oder jemand aus ihrer Umgebung, Miles gebeten hätte, einen Bibeltext zu lesen oder ein paar Worte zu sprechen, um die wichtige Rolle anzuerkennen, die er in Barrys letzten Augenblicken gespielt hatte.
    Samantha gab sich absichtlich unüberrascht, dass Gavin ausgewählt worden war.
    Â»Ihr habt euch recht nahegestanden, Barry und du, nicht wahr, Gav?«
    Gavin nickte. Er fühlte sich zittrig, und ihm war ein wenig übel. Er hatte kaum geschlafen, war in den frühen Morgenstunden aus schrecklichen Träumen erwacht. Er hatte einen Sarg fallen lassen, aus dem Barrys Leiche auf den Boden der Kirche purzelte. Und er hatte verschlafen, die Beerdigung verpasst und Mary beim Eintreffen in St. Michael allein auf dem Friedhof vorgefunden. Bleich und wütend hatte sie ihn angeschrien, er habe

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