Ein plötzlicher Todesfall
und sprach Parminder an, als sie an ihm vorbeikam.
»Schrecklich, diese Sache. Barry. Ein furchtbarer Schock.«
»Ja«, sagte sie voller Abscheu.
»Ich fand schon immer, dass diese Gewänder bequem aussehen. Sind sie das wirklich?«, fügte er mit einem Nicken auf ihren Sari hinzu.
Sie antwortete nicht, sondern nahm ihren Platz neben Jaswant ein. Howard setzte sich ebenfalls, ein gewaltiger Pfropfen am Ende der Kirchenbank, der sie für alle Nachkommenden verstopfen würde.
Shirleys Blick war andächtig auf ihre Knie gerichtet, und ihre Hände waren gefaltet, anscheinend zum Gebet, doch in Wirklichkeit lieà sie sich den kleinen Schlagabtausch zwischen Howard und Parminder über deren Sari durch den Kopf gehen. Shirley gehörte zu dem Teil von Pagford, der insgeheim beklagte, dass das alte Pfarrhaus, vor langer Zeit als Heim für einen Gemeindepfarrer der Hochkirche mit Koteletten und Dienstboten in gestärkten Schürzen erbaut, nun von einer Hindu-Familie bewohnt wurde (Shirley hatte nie ganz begriffen, welcher Religion die Jawandas angehörten). Sie glaubte, wenn Howard und sie einen Tempel beträten oder eine Moschee oder wo auch immer die Jawandas beteten, würde man zweifellos von ihnen verlangen, den Kopf zu bedecken und die Schuhe auszuziehen und was sonst noch alles, weil es sonst einen Aufschrei geben würde. Und hier sollte es hinnehmbar sein, dass Parminder ihren Sari in der Kirche zur Schau stellte? Es war ja nicht so, dass Parminder keine normale Kleidung besaÃ, schlieÃlich trug sie die täglich zur Arbeit. Die Doppelmoral des Ganzen war es, die Shirley wurmte. Kein Gedanke an die Respektlosigkeit, die damit gegenüber ihrer Religion gezeigt wurde und, im weiteren Sinne, gegenüber Barry Fairbrother selbst, den Parminder angeblich so gern gemocht hatte.
Shirley löste ihre Hände, hob den Kopf und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Kleidung der Vorbeigehenden und die GröÃe und Anzahl der Blumengestecke für Barry. Einige waren am Altargitter aufgebaut. Shirley entdeckte die Trauerspende der Gemeinde, für die sie und Howard die Sammlung organisiert hatten. Ein groÃer, runder, traditioneller Kranz aus weiÃen und blauen Blumen, den Farben des Wappens von Pagford. Die Blumen und alle anderen Gestecke wurden überragt von einem Ruder in OriginalgröÃe, geformt aus bronzefarbenen Chrysanthemen, das die Rudermannschaft der Mädchen gespendet hatte.
Sukhvinder drehte sich in der Kirchenbank um und hielt Ausschau nach Lauren, deren Mutter, eine Floristin, das Rudergesteck angefertigt hatte. Sie wollte ihr signalisieren, dass sie es gesehen hatte und schön fand, aber die Kirche war zu voll, und sie konnte Lauren nirgends entdecken. Sukhvinder war traurig und stolz zugleich, dass sie das mit dem Ruder gemacht hatten, vor allem als sie sah, wie die Leute einander darauf hinwiesen, bevor sie ihren Platz einnahmen. Fünf der acht Mädchen aus der Mannschaft hatten Geld für das Ruder lockergemacht. Lauren hatte Sukhvinder erzählt, wie sie Krystal Weedon zur Mittagszeit ausfindig gemacht und sich den gemeinen Hänseleien von Krystals Freundinnen ausgesetzt hatte, die rauchend auf der niedrigen Mauer beim Zeitungsladen gesessen hatten. Lauren hatte Krystal gefragt, ob sie auch etwas beisteuern wollte. »Ja, mach ich, klar«, hatte Krystal gesagt, aber nichts gegeben, und daher war ihr Name auch nicht auf der Karte. So viel Sukhvinder sehen konnte, war Krystal auch nicht zur Beerdigung erschienen.
Sukhvinder hatte ein bleiernes Gefühl im Magen, aber die Schmerzen an ihrem linken Unterarm, verbunden mit den scharfen Stichen bei jeder Bewegung, wirkten wie ein Gegenmittel. Wenigstens saà Fats Wall, bedrohlich in seinem schwarzen Anzug, nicht in ihrer Nähe. Er hatte keinen Blickkontakt aufgenommen, als ihre beiden Familien auf dem Friedhof kurz zusammentrafen. Er wurde durch die Anwesenheit ihrer Eltern zurückgehalten, so wie er manchmal durch die Anwesenheit von Andrew Price zurückgehalten wurde.
Am Abend zuvor hatte ihr anonymer Cyberfolterer zu später Stunde das SchwarzweiÃfoto eines nackten viktorianischen Kindes geschickt, bedeckt mit weichem, dunklem Haar. Sie hatte es entdeckt und gelöscht, während sie sich für die Beerdigung anzog.
Wann war sie zum letzten Mal glücklich gewesen? Sie wusste, dass sie in einem anderen Leben, lange bevor irgendjemand sie angrunzte, in
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