Ein Pony mit Herz
die Stallgasse hinaus. Zottel folgte ihr so behutsam er nur konnte. Die Kinder schwatzten aufgeregt in der Futterkammer, sie luden sich die Arme voll und fanden immer schönere Möhren, die die armen Ponys unbedingt auch noch bekommen mußten.
Als sie zurückkehrten, waren die Ponys fort. Vor Schreck ließen die Mädchen ihre Last fällen und flohen nach draußen. Ängstlich besorgt, von niemandem gesehen zu werden, kehrten sie in das Ferienhaus zurück, in dem sie mit ihren Eltern das Wochenende verbrachten.
Zottel und Panja waren längst über alle Berge. Wenn sie sich hier in der Nähe aufhielten, hätte das nur die Gefahr mit sich gebracht, von Bille und Bettina entdeckt und in die Box zurückgebracht zu werden, das wußten sie. Das Wetter war trocken und sonnig, auf Feldern, Wiesen und Wegen schmolz das Eis auf den Pfützen, genau das richtige für einen kleinen Spaziergang.
Zottel hielt sich dicht an Panjas Seite. Mit ihr machte so ein Ausflug doppelt Spaß. Und um seiner Freundin Abwechslung zu bieten, schlug er den Weg nach Leesten ein. Vielleicht gab es auf dem Hinterhof des Sparmarkts etwas zu finden, was den Weg dorthin lohnte: Kisten mit Resten von Obst, Salat oder Gemüse oder nicht mehr verkäufliches Gebäck, das in Kartons und Säcken auf den Abtransport wartete. Das wußte Zottel aus Erfahrung.
Doch als sie die Ortsgrenze erreichten, zog etwas anderes seine Aufmerksamkeit auf sich. Und wenn er sich nicht täuschte, war es viel schöner als jedes Warenlager. Musik klang vom Dorfplatz herüber, und nicht nur das: ein zarter Duft nach Weihnachtsgebäck, nach Äpfeln und Zuckerwatte lag in der Luft. Zottel schüttelte freudig die Mähne und sah sich auffordernd nach Panja um. Dort würden sie alles finden, was ihr Herz begehrte!
Eilig machten sie sich auf den Weg und hatten bald darauf den Weihnachtsmarkt erreicht. Drei Reihen von Buden waren auf dem Marktplatz aufgestellt, die ihre Waren feilboten. Da gab es solche, an denen frisches Schmalzgebäck und Glühwein verkauft wurden, bei anderen wurden Christbaumschmuck und bunte Kugeln angeboten, wieder andere verkauften Spielzeug oder warme Pullover, Kerzen und Räucherwerk. Aus einem großen Kessel wurde Punsch ausgeschenkt, gleich daneben gab es Berge von Weihnachtsgebäck und Schokoladenkringel für den bunten Teller. Auch ein Stand mit getrockneten Früchten fehlte nicht und auch nicht der Kessel, in dem die gebrannten Mandeln in ihrer Zuckerlösung schmorten.
Zottel und Panja schoben sich behutsam in den Strom der Besucher. Nur flüchtig sahen sich die Leute um, wenn sie in allzu engen Kontakt mit den Ponys gerieten. Man kannte das: Zirkustiere, die im Winter auf den Plätzen erschienen, um mit einem Schild auf dem Rücken um eine Spende zu bitten, begleitet von einem Betreuer, der die Spendenbüchse hielt. Daß der Betreuer hier fehlte, fiel niemandem auf, solange Zottel und Panja sich ruhig verhielten.
Die Ponys liefen mit gesenkten Köpfen hinter den Kauflustigen her, die Nasen schnuppernd auf die Tüten und Einkaufskörbe gerichtet. Bald wurde Zottel fündig. In einem offenen Korb lagen mehrere Tüten mit Weihnachtsgebäck. Der Korb hing an der Hand einer jungen Frau, die ihn nachlässig baumeln ließ, während sie sich mit ihrem Freund unterhielt. Zottel griff zu und hob die oberste Tüte heraus. Lebkuchen, das war ein Volltreffer! So gut versorgt, ließ er jetzt Panja den Vortritt. Sie wählte eine Tüte mit Vanillebrezeln.
Nun galt es, einen Ort zu finden, an dem man die Beute ungestört verzehren konnte. Hinter der Imbißbude, in der Würste gebraten wurden, waren sie geschützt. Sie ließen die Tüten fallen, rollten sie mit dem Huf hin und her, bis das Papier zerriß, und verzehrten den Inhalt. Dann machten sie sich von neuem auf die Suche.
Inzwischen hatte man bei Krolles das Frühstück beendet. „Zieh dir deinen Mantel an, Lena“, sagte Vater Krolle, „das erste Geschenk wird dir Zottel persönlich überreichen.“
„Zottel! Da bin ich aber neugierig“, Lena kicherte aufgeregt, „wie er das wohl machen wird: mir ein Geschenk überreichen!“
Sie gingen zu Fuß zum Wedenbrucker Stall hinüber. Bille eilte ein paar Schritte voraus, um blitzschnell festzustellen, ob alles noch in Ordnung war. Sie ahnte nichts Gutes, als sie auf der Stallgasse etliche verstreute Möhren fand — und Zottels Boxentür weit offen. Vor Schreck wurde sie feuerrot. Fassungslos wandte sie sich zu Lena und den anderen um. „Ich verstehe das nicht!
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