Ein prickelndes Spiel (German Edition)
ab. Ungeschliffene Diamanten. Ihr Plan hatte fabelhaft funktioniert, inklusive Christine Bowmans Verhaftung, als sie, Nicole, mit den Diamanten schon längst über alle Berge war.
Sie klappte den Spiegel zu und ließ ihn in den Rucksack gleiten. Neulich hatte Alex sie gefragt, ob sie nicht den Ehrenkodex der Diebe verletze, indem sie “Kollegen” der Polizei auslieferte. Sie lehnte sich zurück und starrte aus dem Fenster, ohne etwas zu sehen. Ein leichter Sommerregen hatte eingesetzt, seit sie das Café verlassen hatte. Sie hatte schon lange nicht mehr über das nachgedacht, was sie tat. Und warum sie lieber andere Diebe bestahl, anstatt als Erste zuzugreifen. Irgendwie hatte sie auch jetzt keine Lust, darüber nachzudenken.
Sie zerrte an dem gestärkten weißen Kragen der schwarzen Uniform. Mit neunzehn war sie das erste Mal das ahnungslose Opfer eines anderen Diebes geworden. Sie hatte gerade ihren zweiten Satz Tiffany-Juwelen geraubt, eine Kette mit dazu passendem Armband und Ring in gelben Diamanten, als sie vor dem Gebäude von hinten niedergeschlagen wurde. Der Mann, einer der alten Kumpane ihres Vaters, hatte sie halb totgeschlagen, weil sie sich die Beute nicht abnehmen lassen wollte. Sie sah ihn noch vor sich, das Gesicht verzerrt und das Bleirohr hoch über den Kopf erhoben, das nur um Zentimeter daneben traf.
Fünf Tage hatte sie in einem kleinen Krankenhaus zubringen müssen, in einen Raum gepfercht mit den wildesten Typen, alle – wie sie – ohne Krankenversicherung. Mit Leuten, die versucht hatten, sich umzubringen, mit Müttern, die Crack nahmen, mit Opfern von Messerstechereien und Schießereien. Sie hatte dann herausbekommen, dass all diese Menschen irgendwie Opfer von Verbrechern waren. Genauso wie die Topmanager hinter ihren dicken Schreibtischen die vom Schicksal weniger Begünstigten ausbeuteten, so gab es auch unter ihren “Verbrecher-Kollegen” welche, die andere ausnutzten und selbst dafür nie zur Rechenschaft gezogen wurden.
Das wollte Nicole ändern.
Sie war jung genug, um sich irgendwie wie ein weiblicher Robin Hood vorzukommen, der von den reichen Dieben nahm, die es nicht verdienten, und es denen gab, denen Schlimmes widerfahren war. Und im Fall von Dark Man bedeutete das, dass sie die Familien derjenigen unterstützen wollte, deren Ernährer von Dark Man ermordet worden waren.
“Da vorn an der Ecke bitte halten”, sagte sie zu dem Taxifahrer. Sie griff in ihren Rucksack, stieß die kleine Pistole beiseite, die sie aus Alex’ Loft wieder mitgenommen hatte, und holte eine falsche, offiziell aussehende eingeschweißte Karte heraus. Die wollte sie der Hausdame, mit der sie vor nicht langer Zeit telefoniert hatte, kurz vor die Nase halten.
Das Taxi hielt, und während Nicole auf ihr Wechselgeld wartete, blickte sie an dem vornehmen Apartmentgebäude hoch. Die Dame des Hauses war bei einem Wohltätigkeitslunch, das sich wahrscheinlich noch bis in die frühen Abendstunden hinziehen würde. Ihr Mann war wie alle Männer, die in dieser Gegend wohnten, ganz sicher nicht zu Hause. Entweder arbeitete er, oder er ging anderen Interessen nach, die mit seiner Frau oder seinem Zuhause nichts zu tun hatten.
Das bedeutete, dass nur die Hausangestellten zu Hause waren, die Hausdame, mit der sie gesprochen hatte, und ein oder zwei andere Bedienstete.
Sie nahm das Wechselgeld entgegen und gab dem Mann ein großzügiges Trinkgeld. “Sie kennen mich nicht, ist das klar?”
Der Fahrer grinste. “Solange Sie niemanden umbringen …”
Sie stieg aus und blieb am Straßenrand stehen, bis das Taxi verschwunden war.
Der Portier betrachte sie misstrauisch durch die Doppelglastür. Sie lächelte ihn an und räusperte sich. Als er ihr Lächeln erwiderte, wusste sie, dass sie keine Schwierigkeiten haben würde. Sie musste nur einen französischen Akzent vortäuschen und ihm eine rührselige Geschichte erzählen von ihrer Mutter, die im Krankenhaus lag und deren Arztrechnungen sie bezahlen musste. Deshalb müsse sie diesen Job unbedingt haben, obgleich es ihr selbst nicht gutginge. Und dabei würde sie leicht hinken.
Da hatte sie schon ganz andere Portiers erlebt, Männer, die sie ums Verrecken nicht ins Haus gelassen hatten. Sofern man nicht auf der Besucherliste stand oder der Portier einen nicht so durch die Tür ließ, gab es kein Reinkommen. In diesen Fällen hatte sie normalerweise die Sache sausen lassen. Wenn man schon daran dachte, gewaltsam einzubrechen und über die Feuertreppe ins
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