Ein Prinz wie aus 1001 Nacht
eigenen Ausbruch. Doch sie hatte ihre Gefühle so lange unterdrücken müssen, dass die sich angesichts der Anspannung in dieser ungewohnten Umgebung einfach ein Ventil gesucht hatten.
Eine zierliche dunkelhaarige Frau mit freundlichen Augen und einem makellos schönen Gesicht kam direkt auf sie zu. Sie mochte etwa Ende zwanzig sein und passierte mit wiegendem Gang eine lange Reihe von Dienern, die sich alle vor den Neuankömmlingen verbeugten.
„Meine Schwester, Jahan …“, murmelte Shahir.
Jahan begrüßte Kirsten mit einem freundlichen Lächeln. „Willkommen in deinem neuen Zuhause. Wir sind alle schrecklich aufgeregt und freuen uns, endlich wieder eine Hochzeit in der Familie feiern zu dürfen.“
Um Shahir scharte sich inzwischen eine ganze Gruppe fröhlich plappernder Menschen, um Tazeem zu begutachten.
Jahan folgte Kirstens Blick. „Mein Bruder wird seinen Sohn jetzt Seiner Majestät, dem König vorstellen“, erklärte sie ihr. „Du wirst unseren Vater erst bei der Trauungszeremonie treffen. Wir müssen jetzt hier entlanggehen.“
Wie betäubt folgte Kirsten der jungen Frau und warf über die Schulter einen letzten Blick auf ihren Mann, der sich aber schon gar nicht mehr für sie interessierte. Warum hatte sie nur diesen unsinnigen Streit provozieren müssen? Jetzt schieden sie in Unfrieden voneinander und würden sich erst wiedersehen, um sich erneut das Jawort zu geben.
„Dir steht heute Abend noch eine große Überraschung bevor“, verkündete Shahirs Schwester zufrieden, während sie Kirsten durch eine riesige Halle mit einem antiken Marmorboden führte, in der ihre Stimme von den hohen Wänden zurückschallte. Offenbar gelangte man auf diesem Weg zu einem moderneren Teil des Palastes.
„Ich hoffe nur, du freust dich auch darüber. Shahir hat sich jedenfalls große Mühe deswegen gegeben“, verriet Jahan augenzwinkernd.
Kirsten hatte nicht die leiseste Idee, worüber Jahan da redete. Außer einem höflichen Lächeln brachte sie keinerlei Interesse für die Andeutungen von Shahirs Schwester auf.
„Eine Überraschung?“
„Ja, aber ich darf nichts verraten. Das würde alles kaputt machen!“ Jahan blieb stehen und wies auf eine Tür. „Möchtest du hier warten, bis Tazeem dir zurückgebracht wird?“
Kirsten war überrascht, dass sie so schnell schon wieder sich selbst überlassen wurde, wagte aber keinen Einwand und nickte nur zustimmend. „Wird das lange dauern?“, fragte sie, während sie die Tür öffnete.
Jahan schaute unruhig an ihr vorbei und schien darauf zu warten, dass etwas geschah. Kirsten folgte irritiert ihrem Blick und trat in den Raum. Dann erst bemerkte sie eine große männliche Gestalt, die in der Nähe des Fensters stand. Das Haar des Fremden hatte die gleiche ungewöhnliche Farbe wie ihr eigenes. Auch er schaute ihr ängstlich und abwartend entgegen.
Kirsten spürte einen dicken Knoten im Hals und presste sich unwillkürlich die Hand vor den Mund. Ihr Herz klopfte plötzlich zum Zerspringen.
„Daniel …?“, flüsterte sie ungläubig. Sie konnte nicht fassen, dass aus dem dünnen Teenager, als den sie ihren Bruder in Erinnerung hatte, ein so stattlicher Mann geworden war.
„Ja, ich bin’s …“
9. KAPITEL
Während Bruder und Schwester sich über die verlorenen Jahre austauschten, in denen sie sich nicht gesehen hatten, verging die Zeit wie im Flug, sodass Kirsten erstaunt war, als es an der Tür klopfte und man ihr Tazeem zurückbrachte.
„Darf ich dir deinen Neffen vorstellen?“, fragte sie mit weicher Stimme und hielt ihrem Bruder das selig schlummernde Bündel entgegen. Offenbar schien der kleine Prinz kein bisschen von dem Trubel beeindruckt zu sein, der um ihn herum stattfand.
„Tazeem – Daniel … Daniel – Tazeem.“
Bereitwillig ließ Daniel sich seinen Neffen in den Arm legen und küsste ihn vorsichtig auf die rosige Wange.
„Wenn Mum das noch hätte erleben dürfen …“, sagte er rau.
Kirsten schluckte heftig. „Vielleicht sieht sie uns gerade in diesem Moment zu.“
Nachdem sie erfahren hatte, dass Daniel sich keineswegs einfach von der Familie losgesagt hatte, wie ihr Vater immer behauptete, bedauerte sie es noch viel mehr, so viel gemeinsame Zeit verloren zu haben. Angus hatte weder die Anrufe seines Sohnes angenommen noch seine Briefe weitergeleitet oder beantwortet. Erst nach einem Jahr erfuhr Daniel vom Tod seiner Mutter, als er von einem Studienprojekt aus dem Ausland an die Universität in England zurückkehrte, um
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