Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben
war immer ein großer Witz. Ich machte die Tür auf, und sie sah mich an.
»Was, keine Bücher?«
»Vicki, die haben keine Bücher in der Bibliothek.«
Dann ging ich rein und holte die Weinflasche aus der Einkaufstüte, und wir fingen an.
Einmal, nach einer einwöchigen Sauftour, beschloß ich mich umzubringen. Ich sagte ihr nichts davon. Ich wollte es machen, während sie in einer Bar war und sich nach einem Kunden umsah. Es gefiel mir nicht, daß diese fetten Armleuchter bei ihr drüberstiegen, aber sie brachte mir Geld und Whisky und Zigarren nach Hause. Sie brachte auch die Nummer, von wegen ich sei ihre einzige Liebe. Und aus irgendeinem unerfindlichen Grund nannte sie mich immer »Mr. Van Bilderass«. Sobald sie einen sitzen hatte, sagte sie ständig: »Du denkst, du bist was ganz Besonderes, du denkst, du bist Mr. Van Bilderass!« Währenddessen machte ich mir Gedanken darüber, wie ich mich umbringen sollte. Eines Tages würde ich es tun, da war ich mir ganz sicher.
Also wir hatten eine einwöchige Sauftour hinter uns, Portwein, wir hatten große Karaffen gekauft und auf dem Fußboden in Reih und Glied aufgestellt, und dahinter eine Reihe gewöhnliche Weinflaschen, 8 oder 9 Stück, und hinter den gewöhnlichen Flaschen standen nochmal 4 oder 5 kleine. Wir wußten bald nicht mehr, ob Tag oder Nacht war. Nichts als ficken und reden und trinken, reden und trinken und ficken. Wütende Streitereien, die mit einer Nummer im Bett endeten. Sie war ein süßes kleines Ferkelchen mit einem engen Loch, und sie wand sich ausgiebig. Unter 200 Frauen fand man so eine nur einmal. Mit den meisten anderen ist es bloß ein Akt, ein Witz. Jedenfalls, es kam wohl alles zusammen – das Trinken und die Tatsache, daß diese fetten öden Bullen bei Vicki drüberstiegen-, und es machte mich ziemlich krank und deprimiert. Tja, und was hätte ich schon tun sollen? Vielleicht eine Drehbank bedienen?
Als der Wein alle war, wurden die Depressionen, die Ängste, die Sinnlosigkeit des Ganzen zuviel, und ich wußte, daß ich es jetzt tun würde. Sobald sie mal aus dem Zimmer ging, würde es für mich gelaufen sein. Ich wußte noch nicht recht, wie; aber es gab ja Hunderte von Möglichkeiten. Wir hatten einen kleinen Gasherd. Gas ist etwas Wohltuendes. Gas, das ist wie ein Kuß. Läßt auch den Körper intakt. Der Wein war alle. Ich konnte kaum noch gehen. Armeen von Angst und Schweiß marschierten an mir rauf und runter. Am Ende wird es ganz leicht. Die größte Erleichterung ist, daß man nie mehr auf dem Bürgersteig an einem anderen menschlichen Wesen vorbeigehen muß, nie mehr mit ansehen muß, wie sie ihre Fettwülste spazierenführen, nie mehr ihre kleinen Rattenaugen ansehen muß, ihre grausig zugerichteten Visagen, ihr animalisches Flair. Was für ein schöner Traum: nie mehr einem anderen Menschen ins Gesicht sehen müssen.
»Ich geh mal raus an den Zeitungsstand und seh nach, was für einen Tag wir heute haben, okay?«
»Klar«, sagte sie, »klar.«
Ich ging aus der Tür. Niemand im Flur. Keine Menschenseele. Es war gegen 10 Uhr abends. Ich nahm den Fahrstuhl. Der Fahrstuhl stank nach Urin. Es kostete eine Menge Selbstüberwindung, sich von diesem Fahrstuhl schlucken zu lassen. Ich ging den Hügel hinunter. Wenn ich zurückkam, würde sie weg sein. Sie reagierte immer sehr schnell, wenn nichts mehr zu trinken da war. Dann konnte ich’s also tun. Doch zuerst wollte ich wissen, was für einen Tag wir hatten. Ich ging den Hügel hinunter, und da, vor dem Drugstore, war der Zeitungsstand. Ich sah mir eine Zeitung an. Freitag war es. Na schön, also Freitag. So gut wie jeder andere Tag. Das war doch schon etwas. Dann fiel mir die Schlagzeile auf:
MILTON BERLES COUSIN ERLEIDET SCHÄDELBRUCH DURCH HERABFALLENDEN STEIN
Ich kriegte es nicht gleich mit. Ich beugte mich vor und las es noch einmal. Da stand es, unverändert:
MILTON BERLES COUSIN ERLEIDET SCHÄDELBRUCH DURCH HERABFALLENDEN STEIN
Das war die große Schlagzeile, in dicken schwarzen Lettern. Von all den wichtigen Dingen, die auf der Welt passiert waren, hatten sie das als Aufmacher genommen.
MILTON BERLES COUSIN ERLEIDET SCHÄDELBRUCH DURCH HERABFALLENDEN STEIN
Ich ging über die Straße und in den Spirituosenladen rein. Ich fühlte mich schon wesentlich besser. Ich kaufte zwei Flaschen Port und eine Schachtel Zigaretten und ließ anschreiben. Als ich zuhause reinkam, war Vicki immer noch da.
»Na, was für’n Tag haben wir?« fragte
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