Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben
alte Zeitung auf dem Fußboden. Ein Foto von drei jungen Mädchen, die über einen Zaun sprangen und eine Menge Bein sehen ließen. Die ganze Bude sah aus wie ich und roch wie ich. Die Tapete kannte mich. Es war rundum perfekt. Ich war mir meiner Füße bewußt, meiner Ellbogen und meiner Haare. Ich fühlte mich nicht wie 45. Ich fühlte mich wie ein gottverdammter Mönch, der gerade eine Erleuchtung hatte. Ich fühlte mich, als würde ich von etwas geliebt, das sehr gut war. Ich wußte nicht, was es war; ich wußte nur, daß es da war. Ich lauschte auf die Geräusche von draußen, Geräusche von Motorrädern und Autos. Ich hörte Hunde bellen, ich hörte menschliche Stimmen, Lachen. Dann schlief ich ein. Ich schlief und schlief und schlief. Während irgendein Gewächs durchs Fenster hereinsah, durchs Fenster zu mir hereinsah. Die Sonne rackerte sich weiter ab, und die Spinne krabbelte herum.
Bekenntnisse eines Menschen, der sich den Wahnsinn leistet, zwischen Raubtieren zu leben
1
Ich weiß noch, wie ich mich als Junge vor den Spiegel stellte, nackt bis auf die hochhackigen Schuhe meiner Mutter, und meine Beine ansah, über die ich langsam ein Stück Tuch hochzog, als würde ich die Beine einer Frau anstarren, und wie ich anschließend in der Besenkammer onanierte und dabei gestört wurde durch zwei Freunde, die ins Haus kamen … »Ich weiß, daß er irgendwo hier drin ist« … Ich zog mir schnell was an, und dann machte einer der beiden die Tür zur Besenkammer auf und entdeckte mich. »Du blöde Sau!« brüllte ich und jagte sie beide aus dem Haus, und im Weggehen hörte ich sie sagen: »Was ist denn mit dem? Verdammt noch mal, was hat er bloß?«
2
K. war ein ehemaliges Showgirl, und sie pflegte mir ihre Zeitungsausschnitte und Fotos zu zeigen. Einmal wäre sie fast zur Miss Amerika gewählt worden. Ich lernte sie in einer Bar in der Alvarado Street kennen, und das ist so ziemlich die Endstation – danach kommt dann schon die Gosse. Sie war gealtert und hatte so manches Pfund zugenommen, doch es war immer noch eine Andeutung von Figur da, ein bißchen Klasse, aber eben nur eine Andeutung und nicht viel mehr. Wir waren beide erledigt. Keiner von uns beiden hatte Arbeit, und wie wir über die Runden kamen, weiß ich bis heute nicht. Wir hatten Zigaretten, Wein und eine Vermieterin, die uns unsere Stories abnahm, von wegen es sei Geld im Anrollen, aber im Augenblick seien wir eben blank. Vor allem mußten wir Wein haben.
Wir verschliefen den größten Teil des Tages, doch wenn es dunkel zu werden begann, mußten wir aufstehen, und es war uns auch danach.
K: »Shit, jetzt könnt ich ’n Drink gebrauchen.«
Ich lag immer noch im Bett und rauchte unsere letzte Zigarette.
Ich: »Tja, na dann geh doch mal runter zu Tony und besorg uns ein paar Flaschen Port.«
K: »Kleine?«
Ich: »Ja doch, kleine. Aber keinen Gallo. Und auch nicht dieses andere Zeug, von dem ich zwei Wochen lang Schädelbrummen hatte. Und bring noch zwei Schachteln Zigaretten. Egal welche Sorte.«
K: »Aber es sind nur noch 50 Cents da!«
Ich: »Das weiß ich auch! Laß ihn den Rest anschreiben! Was ist los mit dir, bist du schwer von Begriff?«
K: »Er sagt aber, er machts nicht mehr.«
Ich: »Er sagt, er sagt! – Wer ist denn der Kerl? Der liebe Gott? Quatsch ihm die Ohren voll! Zeig ihm ein Lächeln! Wackel mit deinem Arsch vor ihm rum! Mach ihm einen Steifen! Geh mit ihm ins Hinterzimmer, falls nötig, aber klemm dir diesen WEIN!«
K: »All right, all right.«
Ich: »Und komm bloß nicht ohne was zurück.«
K. sagte, sie würde mich lieben. Sie pflegte mir Schleifchen um den Schwanz zu binden, und dann machte sie ein Papierhütchen und setzte es oben drauf.
Wenn sie ohne Wein zurückkam, oder nur mit einer Flasche, stürmte ich jedesmal wie ein Irrer da runter und belferte und fletschte die Zähne und drohte dem alten Mann, bis er mir gab, was ich wollte, und oft noch mehr. Manchmal kam ich zurück mit Sardinen, Brot, Chips. Es war eine ausnehmend gute Zeit, und als Tony den Laden verkaufte, nahmen wir uns den neuen Besitzer vor. Der war schwieriger rumzukriegen, aber wir schafften auch ihn. Er brachte die besten Qualitäten in uns heraus.
3
Das Instrument sah aus wie ein Holzbohrer, vielleicht war es auch einer, ich kriegte so einen Hauch von heißem Öl in die Nase, und sie steckten mir dieses Ding in den Kopf, ins Fleisch, und es bohrte und förderte Blut und Eiter zutage, und ich saß da, und meine Seele baumelte wie ein
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