Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Pyrenäenbuch

Ein Pyrenäenbuch

Titel: Ein Pyrenäenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
Vom Netzwerk:
schreibe dir, weil du ein Oberregierungsrat und mir so sympathisch bist.
Du hast kein rühmliches Ende genommen, ich habe dich studieren lassen, und
jetzt regierst du im hamburger Kanalisationswesen... aber ich schreibe dir
doch.
    In Mauleon war ich aus dem
Pyrenäenauto gestiegen, und ich kletterte in der kleinen Stadt umher. Auf dem
Marktplatz Kriegerdenkmal undPelotenmauer, alte Bäume, ein schönes,
stehengebliebnes Renaissancehaus und eine himmlische Stille. Vor dem Café die
Provinzausgabe der Massary. Es war offenbar der Sündenengel des Ortes: die Frau
des Cafétiers, eine mit den schwarzen Augen alles versprechende und mit dem
Rest sicherlich nichts haltende jüngere Dame, die an das Wort jenes Engländers
erinnerte: «Die Französinnen wirken so stark auf uns, weil sie zu sein
scheinen, was die andern Frauen zu sein sich nicht getrauen.» Gut, daß Karlchen
nicht da war — er hätte erst sie von der Seite angesehen, dann uns und hätte
gesagt: «Na... mit der würde ich gern mal ein Sätzchen reden!» Und dann hätte
er ja wohl dringende Geschäfte im Ort gehabt, etwa seinen dort wohnenden Vetter
besucht, und uns verlassen... Karlchen war aber zum Glück nicht da, und so
hatte man mich als Alleinherrscher. Wir wurden rasch intim, ich und sie; als
der Mann nicht hinsah, zeigte sie mir sogar das Privé; Gott, man ist Weltmann.
    Von Mauléon führt eine kleine
Schnaufebahn nach Tardets.
    «Tardets, Spiegel des
Baskenlandes! Tardets, du unbekannter Winkel, der du nichts als Licht bist...»
So Francis Jammes. Und er hat recht: Tardets ist wirklich hübsch.
    Es war grade Markt, und die
Bauernfrauen, manche bis zu acht Unterröcken stark, standen zwischen ihren
Äpfelkiepen, saßen auf ihren Gemüsen und wühlten hinter ihren Budchen. Ein Kerl
brüllt über sein Porzellan hin: man dachte, er rufe eine kleine Republik aus,
er war ganz blaurot im Gesicht, und er schrie wie ein Marktschreier. Ich stieg
in die Höhlung der dunkeln Zimmer — da war ein altväterliches, gemütliches
Hotel, mit bauchigen Wasserkannen und wunder-, wunderlieblichen Bildern:
«Japanische Heiden foltern christliche Missionare» — und von oben sah ich auf
das Gewühl herunter, was ja zu den schönsten aller menschlichen Beschäftigungen
gehört. Wir schrieben den 1. September.
    Jakopp, ich glaube, es ruft
dich einer. Du sollst mal nachsehen: er wäre in der Küche verstopft. Pust mal
durch sein Wasserrohr. Hast du? Gut.
    ‹Les Gorges de Cacaoueta› —
aber das war auf allen Karten verzeichnet, eine einwandfreie Sache. Die
Schlucht von Cacaoueta... ‹Guide nécessaire) stand im Gebetbuch. Einen Führer!
Haben wir nicht auch allein den Weg nach Hause gefunden, morgens früh um vier,
mit Bindfaden immer einer an den andern gebunden, und Karlchen sang sein Lied
von den zwölf Nonnen, und alle Milchkannen sprangen erschreckt beiseite? Waren
wir selbständige Männer oder nicht? «Nächstdem erfordert sein hoher Beruf Mut
in allen Dienstobliegenheiten...» stand in deinen Kriegsartikeln. Ich brauche
keinen Führer.
    Ich sah noch im abendlichen
Tardets zu, wie ein Pferd pedikürt wurde, hörte, wie sich vor allen Kneipen
baskische Bauern die letzten Marktpreise in die Ohren riefen; vor dem
Friseurladen saß die Friseurin und war so schrecklich schön und bunt angemalen,
daß einem ganz schwül wurde…
    Am nächsten Morgen, am
Sedantage, ging ich auf der langen Straße, die von Tardets nach Licq-Athery
führt, bis ich an ein kleines Gasthaus kam, und da wohnte der Besitzer der
Schlucht von Cacaoueta. Er hatte sie gepachtet, er hatte sie mit Geländern
eingefaßt, den Wasserfall abgestaubt, ihm gehörte sie — nichts verständlicher,
als daß man eine Eintrittskarte in die Natur zu lösen hatte. Zwei Frank
fünfzig. Guten Morgen.
    Eine kleine Stunde noch war der
Weg karossabel, dann verlief er sich in den Steinen, und man mußte auf einer
kleinen, einsamen Schienenspur entlangklettem, die jungfräulich dalag: kein
Lokomotiverich fuhr über sie hin. Unten lag ein Stau-Becken, die Sonne färbte
es hellgrün, das Wasser war wundervoll durchsichtig und klar. Nehmen wir an,
Fischlein spielten auf seinem Grund. Ein Zigarrenkistendeckel, an einen Baum
genagelt, mit einem stummen Pfeil. Ah — nicht was du denkst! Nein, das war wohl
der Weg zur Schlucht. Vorbei an einer Hütte, in der eine Mama aus einer Töpfin
trank und das Baby aus der Mama — durch ein ausgetrocknetes Flußbett hindurch,
ein Hügel... und da öffnete sich die Schlucht.
    Es war

Weitere Kostenlose Bücher