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Ein Pyrenäenbuch

Ein Pyrenäenbuch

Titel: Ein Pyrenäenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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sagen ihnen eine Habsucht
nach, die ich nicht zu spüren bekommen habe.
    Wie sieht ein Volk seine Stämme
an? Für die französische Salonliteratur ist das Baskenland, wie übrigens auch
Andorra, eine herrliche Gelegenheit zu unkontrollierbarer Romantik. Pierre
Lotis berühmter ‹Ramuntcho› (224. Auflage) ist eine parfümierte Sache,
die nach sehr gutem Feldblumenparfum duftet — aber eben nach Parfüm, und nicht
nach Feldblumen. Merkwürdig: mäßige Schriftsteller behandeln den Bauer ganz
leicht von oben herunter, mit liebevollem Wohlwollen — ‹Machs gut, braver Mannb
— oder sie packen in die Bauemseele einen Klumpen Mysterium hinein, der da gar
nichts zu suchen und gewiß nichts zu finden hat. Man hat manchmal das Gefühl,
als habe sich Loti alle landesüblichen Ausdrücke des Baskischen auf einen
Zettel notiert und habe nun eine seiner Liebesgeschichten zur Abwechslung in
dieses Kostüm gesteckt. Audi ist bei ihm die wilde Gebirgsleidenschaft diskret
gemäßigt, so daß sie noch in den besten Salons genossen werden kann. Und wenn
der Held auch bis an den Hals im Kummer steckt: immer edel, immer edel! Ich
glaube, solche Romane sind mehr für den Hersteller als für das geschilderte
Land charakteristisch.
    Eine Frau passiert die Straße,
mit der ‹herrade› auf dem Kopf, dem gehenkelten, konisch nach oben sich
verjüngenden Wasserkrug. In den französischen Nachbarprovinzen kennt man das
nicht: Krüge auf dem Kopf zu tragen, das ist eine baskische Sitte.
    Baskische Sitten... Eine ist in
ganz Frankreich bekannt; das erste Wort, das einem entgegentönt, wenn man von
den Basken spricht, heißt: Schmuggler.
    Im Museum zu Bayonne hängt ein
entzückender alter Druck: ‹Der Pyrenäen-Schmuggler›. Da läuft er, mit
einem Sack auf den Schultern und einer Flinte in der Hand, durchs Gebirge, so
ein richtiges Gebirge, wie es auf Drucken zu sehen ist, die in schweizer
Hotelzimmern hängen, und im Hintergrund zeigen ihn sich zwei Gendarmen, den
gefährlichen Mann. Ach, das ist lange vorbei... Es lohnt heute nicht mehr.
    Ich hatte die Absicht, mit
einem Gendarmeriekapitän die Zollposten abzugehen — aber als ich sah, wie er
sein Auto ankurbelte, um abzufahren, da war es mit meiner Lust vorbei.
Schmuggel —? Die Valuta hat ihn zerstört. Die Vorbedingungen waren glänzend.
Tabak und Alkohol... In Frankreich und Spanien hatten die Kaufleute das
allergrößte Interesse daran, die Preise durch den Zoll hochzuhalten und die
natürliche Entwicklung zu hemmen, wie ja überall — und auf beiden Seiten der
Grenzen saßen und sitzen Leute, die dieselbe Sprache sprechen, die ihre
Zugehörigkeit zu verschiedenen Staaten hauptsächlich empfinden, wenn sie
Steuern zahlen und dienen müssen, und die doch zusammengehören. Es wurde
unsagbar geschmuggelt. Die Gendarmen wußten das, aber es war ein anständiger
Kampf. Auf beiden Seiten wurde damals unter keinen Umständen geschossen: wer
erwischt wurde, zahlte oder brummte — aber deshalb keine Feindschaft nicht. Du
bist Schmuggler — das ist dein Beruf; und ich bin Gendarm — das ist meiner. Die
Mühe war groß und der Verdienst klein. Meist wurden nicht einmal Maultiere
benutzt, die ja noch auf den abenteuerlichsten Wegen klettern können, sondern
die Schmuggler trugen Sack und Pack auf dem Buckel — und welche Wege! Nachts,
im Regen, die steilsten Abhänge hinauf und die bösesten Geröllhalden wieder
herunter — und das alles für ein paar Francs! Schmuggeln galt immer als ein
durchaus ehrenhafter Beruf, jeder wußte, daß sich der andre damit befaßte, und
keiner hätte niemals verraten. Aber heute...
    Die französische Inflation ist
sehr langsam gekommen, und die Spanier haben Zeit gehabt, zu merken, was ihre
Pesetas in Frankreich wert sind. Sie wissen das zum großen Leidwesen der Basken
sehr genau, und wenn man die nach ihrem alten Handwerk befragt, so hört man
Klagen, gegen die die Stoßseufzer der berliner Pleitevögel eitel Wonnegeschrei
sind. «Es ist nichts mehr! Kein Geschäft! Die Spanier bezahlen nichts! Was
sollen wir denn noch schmuggeln...!» Es ist herzzerreißend.
    Vorbei die Zeiten, wo die
Schmiere stehenden Kinder und Frauen beim Nahen des Gendarmen den Schmugglern:
«Otsoa! Otsoa! Der Wolf! Der Wolf!» zuriefen; der Wolf ist Vegetarier geworden,
weil es keine Schafe mehr gibt. Vorbei Romantik, zerrissenes Abendgewölk, durch
das der bleiche Mond die heimlichen Contrebandiers bescheint, Schmugglerliebe
und Schmugglertod... vorbei.
    Vor allem deshalb,

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