Ein Quantum Tod: Roman (German Edition)
weiterer Hellseher griff nach seinen Augen und riss sie aus, sodass er mit ihnen nicht mehr sehen musste. Zwei weitere entzündeten sich selbst und verbrannten in schwefelgelben, grellen Flammen. Sie bewegten sich nicht, sie standen nur da, während sie bis auf die Knochen verbrannten. Ein weiterer Hellseher begann zu lachen und konnte nicht mehr aufhören.
»Schaltet die Hellseher ab!«, schrie der Seneschall und rannte zu uns. »Ich habe euch doch gesagt, ihr sollt die ganze Abteilung zumachen!«
»Rüstet auf«, erklang auf einmal Ethels Stimme aus dem Nichts. »Jeder soll sofort aufrüsten! Meine seltsame Materie wird euch schützen.«
Wir alle rüsteten auf und der ganze Lageraum war voller goldener Gestalten. Der Goldene, der der Seneschall war, schubste jetzt andere aus dem Weg und zerschlug den Wahrsageteich mit einer goldenen Faust. Das silbrige Ektoplasma verlor augenblicklich seine Kohärenz und rann die Beine der Arbeitsplatte hinab. Wir alle warteten einen Moment ab, doch es passierte nichts weiter. Der Seneschall schnappte sich einen Feuerlöscher und löschte die beiden brennenden Hellseher. Ihre verkohlten und geschwärzten Leichen standen aber weiterhin da. Callan winkte ein paar seiner Leute heran, die sie forttrugen und die überlebenden Hellseher aus dem Lageraum in die nächste Krankenstation brachten. Der Seneschall warf böse Blicke um sich.
»In Ordnung, jetzt kann jeder wieder abrüsten! Die Gefahr ist vorüber. Aber bleibt vorsichtig! Callan, du und Eddie bleiben mit mir gerüstet. Du prahlst ständig mit deinen hellseherischen Fähigkeiten, Callan, jetzt benutz mal diesen magischen Spiegel auf der nächsten Arbeitsbank und sieh zu, was du da sehen kannst!«
Callan nickte steif und warf dann einen bösen Blick auf Molly. »Du bleibst besser zurück. Du hast keine Rüstung, die dich beschützen kann.«
»Ich bitte dich«, sagte Molly, »vergiss nicht, mit wem du sprichst.«
»Ah. Na ja. Auf deine Verantwortung.« Callan nickte dem Seneschall und mir zu. »Dann mal los.«
Er ging hinüber zu der Bank, auf der immer noch der schimmernde Spiegel lag. Der Seneschall und ich stellten uns an seiner Seite auf und Molly beugte sich ebenfalls vor. Zuerst war das Einzige, was ich sehen konnte, ein dunkles, blutrotes Licht, das von einer neuen und schrecklich aussehenden Sonne ausging. Die Gebäude der Stadt standen so da, wie sie immer gestanden hatten, aber die Luft in den Straßen zitterte und flimmerte, als herrsche eine unirdische Hitzewelle. Die ganze Straße hinab zogen sich große Risse und Spalten, als habe ein Erdbeben auch die tiefer liegenden Schichten des Straßenunterbaus zerrissen. Noch während ich hinsah, schlossen sich einige der Spalten und erschienen dann wieder, als seien sie Türen, die sich öffneten und wieder schlossen. Als warteten sie darauf, dass etwas hindurchkam. Und an den Häusern war etwas falsch. Sie schienen langsam und subtil zusammenzusinken, zu versickern, in sich zusammenzufallen, so als hätten sie nicht mehr die Kraft, die Fassade der Normalität aufrechtzuerhalten. Ein paar der Ladenschilder waren falsch geschrieben oder verstümmelt oder gar völlig unleserlich. Vielleicht waren es auch Worte aus unbekannten Sprachen. Türen und Fenster befanden sich am falschen Ort oder waren falsch proportioniert oder zu völlig verrückten Winkeln verzerrt. Als ob der Wahnsinn an diesem Ort auch auf die Struktur der Gebäude übergreife.
»Hast du jemals so etwas gesehen?«, fragte ich Molly leise.
»Nicht auf dieser Welt«, erwiderte sie.
Ich sah Callan an und er zuckte unbehaglich mit den Achseln. »Wir bekommen gerade ein paar Informationen darüber, was in dem schwarzen Kreis stattfindet, aber es besteht keine Möglichkeit festzustellen, wie verlässlich sie sind. Die Gesetze der Realität wurden verbogen. Keine lineare Zeit, keine Ursache und Wirkung, alles ändert sich unwillkürlich von einem Moment zum anderen.«
»Die Satanisten haben die elementarsten Regeln dessen in die Luft gejagt, was alles zusammenhält«, bemerkte Molly. »Und damit haben sie eine ganze Stadt ins Chaos gestürzt. Na, das ist ja mal echt ’ne Bombe.«
»Wir können nicht sicher sein, dass sie wirklich dahinter stecken«, sagte Callan. »Noch nicht. Also: Wir haben keine Ahnung, wer dafür verantwortlich ist. Darum hab ich den Waffenmeister geholt.«
Er sah meinen Onkel Jack hoffnungsvoll an, aber der Waffenmeister hob nur die Schultern, ohne von dem aufzublicken, was auch immer
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