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Ein Regenschirm furr diesen Tag

Ein Regenschirm furr diesen Tag

Titel: Ein Regenschirm furr diesen Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Genazino
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welchen Beruf ich habe. Die Frage verstimmt mich leicht, weil sie mich daran erinnert, daß mein Leben auch an einem Abend wie heute nicht genehmigt ist. Aber ich drücke die Verstimmung weg und antworte, ein wenig betrunken und prustend, daß ich ein Institut für Gedächtnis- und Erlebniskunst leite.
    Oh! macht Frau Balkhausen, das ist ja interessant!
    Ich schenke auch Frau Balkhausens Glas wieder voll, ich bereue meinen Scherz, aber schon fragt Frau Balkhausen, mit welchen Menschen ich es im Institut zu tun habe.
    Zu uns kommen Menschen, antworte ich unsicher und gleichzeitig routiniert, die das Gefühl haben, daß aus ihrem Leben nichts als ein langgezogener Regentag geworden ist und aus ihrem Körper nichts als der Regenschirm für diesen Tag.
    Sie helfen diesen Personen, ja? fragt Frau Balkhausen.
    Äh, ja, ich hoffe.
    Und wie? Ich meine, was machen Sie?
    Wir versuchen, sage ich, diesen Leuten zu Erlebnissen zu verhelfen, die wieder etwas mit ihnen selber zu tun haben, jenseits von Fernsehen, Urlaub, Autobahn und Supermarkt, verstehen Sie?
    Frau Balkhausen nickt ernst und schaut auf die gelbe Stoffrose neben ihrem Weinglas. Mir wird die Unterhaltung mulmig. Es entgeht mir nicht, daß Frau Balkhausen an der Art meiner Erlebnishilfe interessiert scheint und gleich weitere Fragen stellen wird. Da bin ich schon aufgestanden und mache ein paar ziellose Schritte im Zimmer. Zwischendurch verabschiede ich mich von Herrn Auheimer, der sich für meine ›hellsichtigen Bemerkungen‹ (so sagt er wörtlich) bedankt und dann geht. In ein paar Minuten ist es dreiundzwanzig Uhr. Ich drücke mich in der Nähe der Küchentür herum, weil ich mit Susanne verabredet habe, daß sie mir am Ende des Abends den Brief geben wird, den ich ihr vor achtzehn Jahren geschrieben habe. Aber es kommt anders. Kurz vor der Küchentür tritt Himmelsbach seitlich an mich heran und fragt, ob er zwei Minuten lang etwas Persönliches mit mir besprechen dürfe. Ich zucke zusammen, weil ich nicht weiß, was es zwischen Himmelsbach und mir Persönliches geben könnte, und gleichzeitig fürchte, ein Typ wie Himmelsbach könnte dieses Anonym-Persönliche zwischen uns tatsächlich zur Sprache bringen wollen. lch kann ihm nicht ausweichen. Er drängt mich zur Garderobe hin und sagt dann angemessen leise: Ich möchte dich bitten, mir einen Gefallen zu tun.
    Ich blicke Himmelsbach ratlos und wahrscheinlich ablehnend an, aber Himmelsbach läßt sich nicht abschrecken, im Gegenteil, wahrscheinlich sind meine Blicke für ihn sogar eine Ermunterung.
    Du hast doch mal für den Generalanzeiger geschrieben, beginnt er.
    Ach Gott, seufze ich, das ist eine Ewigkeit her!
    Ich weiß, sagt Himmelsbach.
    Damals war ich noch Student!
    Ja, sagt Himmelsbach, aber du kennst die Leute, die dort etwas zu sagen haben.
    Das glaube ich nicht.
    Doch, beharrt Himmelsbach, du kennst zum Beispiel Messerschmidt.
    Der ist immer noch da! rufe ich aus.
    Wieso? fragt Himmelsbach. Kannst du ihn nicht leiden?
    Was heißt nicht leiden, antworte ich, ich kann nicht viel mit ihm anfangen, sein Bedürfnis nach Einordnung, nach Flachheit mag ich nicht.
    Aber du kennst ihn?
    Nur von damals, sage ich.
    Du hast überhaupt nichts mehr mit dem Generalanzeiger zu tun? fragt Himmelsbach.
    Plötzlich ahne ich, was er will.
    Weißt du, sage ich, um Provinzzeitungen herum sammeln sich immer viele Halb-, Viertel- und sogar Achteltalente, eine unangenehme Mischung. Je kleiner das Talent, desto wilder zappelt der Getroffene damit herum. Ich will dort nicht gesehen werden, wenn du verstehst, was ich meine.
    Ich kann es mir nicht leisten, so streng zu sein wie du, sagt Himmelsbach, jedenfalls nicht jeden Tag.
    Er lacht kurz und spöttisch, wodurch er mir momentweise sympathisch wird wie in alten Zeiten. Wahrscheinlich deswegen trage ich eine halbe Minute dazu bei, ihm das Leben zu erleichtern.
    Du willst für Messerschmidt fotografieren, und ich soll ihn fragen, ob er dich braucht?
    Genau, sagt Himmelsbach.
    Und warum fragst du nicht selbst?
    Ich bin zu alt für Niederlagen, sagt Himmelsbach.
    Und wenn es nicht klappt?
    Dann erfahre ich es nicht direkt, sondern von dir. Mit diesem Polster dazwischen könnte ich die Niederlage ertragen.
    Die Erklärung gefällt mir, ich schweige zustimmend, Himmelsbach rührt mich. Er ist offenkundig (ähnlich wie Susanne) von meiner Wichtigkeit/Hintergründigkeit/Bedeutsamkeit überzeugt, mehr noch, er schreibt mir Einfluß in der Stadt zu.
    Gut, sage ich, ich werde

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