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Ein reiner Schrei (German Edition)

Ein reiner Schrei (German Edition)

Titel: Ein reiner Schrei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Dowd
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Sicherheit stimmt da etwas nicht. Ich würde das Sozialamt einschalten.«
    »Schweig!« Pater Carroll ließ seine Faust auf die Kommunionbank niedersausen. »Du kommst aus einer Großstadt. Solches Gerede mag dort in Ordnung sein, aber hier nicht! In Coolbar kümmert sich einer um den anderen.«
    Es folgte eine lange Stille. Eine Wolke musste sich über die Sonne geschoben haben, denn in der Kirche wurde es plötzlich dunkler. Schließlich legte Pater Carroll einen Arm um Pater Roses Schulter. »Sich in solche Dinge einzumischen könnte Sünde sein, Gabriel«, erklärte er. »Man hat gesehen, wie du dieses junge Mädchen im Auto mitgenommen hast – ich würde dir raten das in Zukunft nicht zu wiederholen. Bei den Skandalen, die die Kirche in letzter Zeit hatte, haben wir keinen Grund, Damen ohne Begleitpersonen durch die Gegend zu fahren.«
    Pater Rose zuckte zusammen, als das Wort Skandal fiel, und griff nun seinerseits nach den Kommunionbänken, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Die Tische der Geldverleiher waren kurz davor zu kippen. In Shells Ohren zischte es. Langsam schritt Pater Carroll zurück Richtung Sakristei. Pater Rose folgte ihm nicht. An der Tür zur Sakristei drehte sich Pater Carroll noch einmal um. »Die Warnung ist gut gemeint, Gabriel«, sagte er versöhnlicher. »Du bist immer noch neu in deinem Beruf.« Er hob die Hand zum Segen. »Es ist oft ratsam, den Dingen ihren Lauf zu lassen. Jemanden bei den Behörden anzuschwärzen ist nicht besser als das, was Judas tat, denk drüber nach. Gerade heute.«
    Pater Carroll ging. Pater Roses Griff an der Kommunionbank lockerte sich, sein Kopf und seine Schultern sackten nach unten. Es sah aus, als würde er gehorchen. Er kniete an der Kommunionbank, den Kopf in die Hände gestützt, ohne einen Laut. Shell bewegte sich nicht. Wieder knarrte das Holz der Kirche. Zornige Engel schlugen ringsum lautlos mit den Flügeln. Die gemalten Gesichter der Statuen von der Mutter Gottes und der heiligen Theresa blickten gepeinigt herab. Aber ihre Liebe half ihm nichts. Seine Schultern erzitterten. Und aus der Mitte zwischen ihnen kam ein furchtbarer Laut, wie das Aufreißen einer engen, tiefen Erdspalte. Ein Schwert bohrte sich in Shells Herz. Der Mann war am Weinen.
    »O Jesus.« Lautlos formten ihre Lippen die Worte. Sie presste die Finger ihrer gefalteten Hände aneinander und betete. »Mein Jesus. Shell ist bei dir in deinem Garten der Todesangst.«
    Minuten vergingen. Pater Rose erhob sich langsam, bekreuzigte sich und folgte Pater Carroll durch den Ausgang der Sakristei. Shell wartete. Alles war still. Sie stieg mit dem Eimer und den beiden leuchtenden Schaufeln die knarrende Treppe der Empore herab. Dann lief sie über die Felder nach Hause, die Schaufeln unter den Arm geklemmt, der Eimer schlug ihr im Laufen gegen die Knie. Doch Shells Freude über die bunten Farben war erloschen.
    Als sie nach Hause kam, hatte Jimmy den Küchentisch umgedreht. Er saß in der Mitte und tat, als würde er unsichtbaren Soldaten ausweichen und mit der Pistole auf sie schießen, die Dad auf dem Geschirrschrank deponierte. Trix hatte Mums Beileidskarten vom Klavier genommen. Sie saß im Schneidersitz am Ofen, schnitt unförmige kleine Figuren aus und hatte die Papierschnipsel über den ganzen Küchenfußboden verteilt.

Vierzehn
    Dad kam von seiner Mittwochabend-Sauftour spät nach Hause. Shell ging sicher, bereits im Bett zu sein, ehe er das Haus betrat. Wieder legte sie den Riegel vor. Falls er überhaupt bemerkt hatte, dass die Beileidskarten verschwunden waren, sagte er nichts dazu.
    Der nächste Morgen begann wunderschön. Shell zog die Vorhänge zurück und schaute auf den Acker hinter dem Haus. Licht ergoss sich über den Hügel.
    »Wach auf, Trix«, sagte sie und zog an ihrem Bein, dann an Jimmys. »Es ist Gründonnerstag.«
    »Früh Donnerstag?«, gähnte Trix.
    Shell lachte und warf einen Blick auf die Betten. Die Bettwäsche war seit Weihnachten nicht mehr gewechselt worden. In dem Zimmer, wo sie, Trix und Jimmy schliefen, war der Boden zugedeckt mit Schmutzwäsche.
    »Heute wird gewaschen«, sagte sie. Sie verpflichtete Jimmy und Trix zur Mithilfe und begann den großen Waschtag.
    Die uralte Zweierwanne, die Mum jahrelang benutzt hatte, war kurz vor ihrem Tod zerbrochen und nie ersetzt worden. Wenn Shell von Dad das Geld dafür bekam, ging sie in die Stadt zum Waschsalon. Doch an diesem Tag stand ihnen nichts anderes zur Verfügung als zwei riesige Stücke guter

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