Ein reiner Schrei (German Edition)
grüner Seife, die Spüle in der Küche und das Bad. Shell erhitzte das Wasser in den Töpfen. Trix und Jimmy benutzten ihre neuen Schaufeln, um in der Wäsche zu rühren, während sie einweichte.
Dad kam nicht aus dem Bett, also wusch Shell sein Bettzeug nicht.
Sie hängten die sauberen Sachen mit Wäscheklammern auf die Leine. Als der Platz nicht mehr reichte, verteilten sie den Rest über die Hecken. Der scharfe Wind pfiff durch die Wäsche hindurch und sie trocknete und wurde hart und hell.
Um vier Uhr ließ Dad sich blicken. Er hatte sich rasiert und seinen zweitbesten Anzug angezogen.
»Ich will aber nicht in die Kirche gehen, Dadda«, jammerte Trix. »Es ist doch gar nicht Sonntag.« Sie hielt die rote Schaufel in der Hand, der apfelgrüne Eimer thronte umgedreht auf ihrem Kopf.
Dad nahm ihr beides weg. »Wenn du deinen Hintern nicht bewegst, werfe ich diesen Kram hier in den Müll.«
Trix hielt sich beide Hände vors Gesicht und zog dahinter eine kunstvolle Grimasse. Shell scheuchte sie samt Eimer und Schaufel zur Tür hinaus.
Als sie in die Kirche kamen, stellte sich heraus, dass Pater Rose die Messe las. Diesmal versah Pater Carroll den Dienst auf der Ziegeninsel. Als es Zeit war für die Predigt, schritt Pater Rose zu den Kommunionbänken und hieß jeden zum Abendmahl herzlich willkommen. Sie alle, sagte er, sollten sich in Gedanken zweitausend Jahre zurückversetzen, in ein bescheidenes Haus des Armenviertels von Jerusalem, in einen spärlich erleuchteten, engen Raum, wo bei Wein und Brot geredet und gelacht wurde. »Seid ihr dort?«, fragte er. Shell schloss die Augen. Hühner pickten Körner vom Boden auf, es gab einen großen Herd und einen langen Tisch, wie sie ihn in der Schule hatten. Die Apostel saßen eng beieinander auf einer Bank. Es roch nach frisch gebackenen Scones und gebratenem Fisch. Ich bin dort, dachte sie.
Pater Rose bat elf jüngere Gemeindemitglieder nach vorn zu kommen. Dad bohrte seine Fingerspitze in Shells Rücken.
»Wach auf«, sagte er.
Sie zuckte zusammen. Die beiden Söhne der Duggans waren nach vorn gegangen, gefolgt von der Tochter der Flavins, die im Coolbar House wohnten, und den jüngeren Kindern der Ronans. Shell stand auf und nahm Trix an die Hand, aber Jimmy rührte sich nicht von der Stelle. Shell und Trix gingen ohne ihn.
Machte zusammen acht. Drei fehlten noch.
»Keine weiteren Freiwilligen?«, fragte Pater Rose lächelnd.
Mrs Quinn schob zwei ihrer Jüngsten nach vorn.
Nun waren es zehn.
In der Kirche herrschte Schweigen.
Shell starrte zu Jimmy hinüber. Er hatte die Zunge wieder in der Wangentasche, so dass sie sich wölbte wie ein Zelt. Shell stellte sich vor, ein Magnet zu sein oder ein schwarzes Loch. Und Jimmy war eine kleine Nadel oder ein zerstörter Planet. Er hatte einfach keine Wahl und musste zu ihr kommen. Ihre Augen wurden groß wie Untertassen vor lauter Anstrengung. Und dann geschah ein Wunder. Er stand auf, setzte seine gelangweilte Miene auf und schlurfte nach vorn.
»Großartig«, sagte Pater Rose. »Nun habe ich alle Apostel zusammen, bis auf einen, der heute fehlt. Und wir wissen ja alle, warum er nicht gekommen ist.«
Pater Rose ließ sie alle auf den Stühlen Platz nehmen, die er zuvor im Halbkreis aufgestellt hatte. Dann forderte er sie auf, Schuhe und Strümpfe auszuziehen. Er kam mit einer Schüssel Wasser und einem Schwamm und wusch einem nach dem anderen die Füße. Shell war als Letzte an der Reihe. In ihrer Vorstellung war sie Johannes, der jüngste der Apostel, der, den Jesus liebte. Ihre Fußsohlen waren rau und voller Druckstellen. Ihre Zehennägel waren lang. Viele Meilen war sie über die Straßen Galiläas gewandert. Als der kalte Schwamm ihre Füße berührte, spürte sie die Wohltat als Erstes, dann die reine Liebe der Hand, die sie hielt. Sie lehnte sich zurück und betrachtete seinen Kopf, der bald von Dornen durchbohrt sein würde. Der dunkelblonde Haarschopf war kurz geschoren, sah aus wie ein Stoppelfeld, das darauf wartete, gestreichelt zu werden. Shell musste sich auf ihre rechte Hand setzen, um sie nicht unwillkürlich nach ihm auszustrecken. Das Wasser tropfte von ihren Zehen. Er hielt ihr ein kleines weißes Leinentuch zum Abtrocknen hin.
Die Gemeinde von Coolbar schaute verwundert zu.
Shell legte ihre Füße in das Tuch, damit er sie abtupfen konnte, bis sie trocken waren.
Als sie und die zehn anderen zu ihren Plätzen zurückgingen, sah sie die saure Miene von Mrs Fallon. Nie zuvor war die
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