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Ein reiner Schrei (German Edition)

Ein reiner Schrei (German Edition)

Titel: Ein reiner Schrei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Dowd
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Rose dachte nach. »Mal überlegen. Es war, als ich nach einer Abendmesse von der Ziegeninsel zurückkam. Nicht diese Woche, sondern letzte. Also kurz vor Weihnachten. Ich habe abgebremst und wollte sie mitnehmen, aber als sie mich erkannte, schüttelte sie den Kopf und winkte mich weiter.« Er grinste. »Wahrscheinlich hatte sie keine Lust auf eine Fahrt mit einem Priester. Und schon gar nicht in so einer alten Schüssel wie meiner.« Er stellte das Glas zurück auf das Kaminsims.
    »Und Sie sind sicher, dass sie es war?«
    »Absolut. Ihr Gesicht gehört zu denen, die man nicht so schnell vergisst. Du solltest bei ihr vorbeischauen und sehen, ob ihr euch nicht wieder vertragen könnt.«
    Geschrei und Tischgetrommel hallten durchs Zimmer. »Fünfundvierzig!«, brüllte Trix am Spieltisch. »Ich hab gewonnen!«
    »Gemogelt!«, heulte Jimmy. »Du hast schon wieder falschgespielt!«
    Die Karten am anderen Ende des Raumes flogen durch die Luft wie Manna vom Himmel. Pater Rose lachte kopfschüttelnd und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ist die Welt nicht ein Irrenhaus, Shell?«

Achtundvierzig
    Nicht nur Coolbar, sondern ganz Irland wartete auf den Bericht des Gerichtsmediziners. Die Abgeordneten im Parlament führten erhitzte Debatten. Die Radiowellen knisterten von Gejammer. Wie weit ist dieses Land gesunken, dass solche Dinge geschehen können, beklagte eine Abgeordnete. In den landesweiten Nachrichten wurde ein Untersuchungsausschuss gefordert. Coolbar befand sich in einem Zustand der Belagerung.
    Doch das Haus der Duggans war das ruhige Auge des Sturms. Niemand konnte ihnen zu nahe treten. Radio, Fernseher und Telefon waren abgeschaltet.
    Das Wochenende verging. Am Montag gingen John, Liam, Jimmy und Trix wieder zur Schule, die Ferien waren zu Ende. Zuerst wollten sie nicht, aber Shell und Mrs Duggan blieben unerbittlich. Als Mrs Duggan die vier in der kühlen Januarluft aus dem Wagen steigen ließ, schärfte sie ihnen ein: »Wenn irgendjemand eine dumme Bemerkung macht, ihr wisst schon, was für eine, dann reagiert ihr einfach nicht.«
    In Shells Kopf herrschte ein Durcheinander an Stimmen wie Vogelgezwitscher. Man hörte es nur, wenn man darauf lauschte, sonst nicht. Als am Montagmorgen die Stille ins Haus einkehrte, wurde das Stimmengewirr so laut, dass Shell dachte, ihr müsste der Kopf platzen.
In diesen Klamotten bringt er einen Hund zum Kotzen.
Blutgruppe A und Blutgruppe 0.
Haggertys Höllenloch. Wo alle Mädchen zum Vögeln herkommen.
Sie lief die Küstenstraße entlang. Kurz vor Weihnachten.
    Als Jimmy von der Schule nach Hause kam, hatte er eine aufgeplatzte Lippe und einen Bluterguss auf der Wange.
    »Was ist passiert?«, fragte Shell.
    »Das waren dieser Dan Foley und Rory Quinn. Die sind in der Pause auf mich los.«
    »Auf dich los?«
    »Auf mich los und haben versucht mich auszuquetschen. Sie wollten die Wahrheit wissen.«
    »Die Wahrheit?« Sie dachte an Molloy mit seinem makellosen Hemd und den stechenden Augen.
    »Die blutrünstigen Einzelheiten. Über dich und das Baby.«
    »Und was hast du ihnen gesagt?«
    »Ich hab gesagt, du hättest Drillinge bekommen, eins, zwei, drei. Und dass das dritte Kind versteckt wäre, und zwar in Miss Donoghues Arsch!«
    »Jimmy! Sie ist in letzter Zeit so nett zu uns gewesen.«
    Seine Zunge drückte die geschwollene Wange nach außen, wie ein Zelt. »Egal.«
    »Bist du mit diesem Rory Quinn befreundet?«, fragte sie.
    »Nein, verfeindet. Er ist ein widerlicher Kotzbrocken.«
    »Könntest du mir einen Gefallen tun? Morgen?«
    »Was für einen?«
    »Könntest du ihn fragen, wo seine Schwester ist? Bridie? Und wann er sie zum letzten Mal gesehen hat?«
    Am nächsten Tag kam Jimmy mit einem Gesichtsausdruck wie ein geprügelter Hund nach Haus. »Ich hab gemacht, was du gesagt hast, Shell. Nach der Schule. Und das hier war die Antwort.« Er hielt einen geschwollenen Finger in die Höhe. Der Nagel hing lose herab.
    »Was? Rory Quinn hat das getan?« Shell war entsetzt.
    Jimmy nickte. »Ich habe ihn nach Bridie gefragt. Und statt mir zu antworten, hat er mich zu Boden geboxt. Und ist mir auf den Finger getrampelt, mit seinem dicken Stiefel.«
    »Nur weil du gefragt hast?«
    Jimmy nickte. »Er ist ein Kotzbrocken.«
    »Er hat dir nichts gesagt?«
    »Nein. Er meinte bloß, egal wo Bridie ist, es würde mich nichts angehen. Ich glaube, er weiß es selber nicht genau. Oder er schämt sich.«
    »Er schämt sich? Warum?«
    »Diese Bridie. Die hat dauernd geklaut. Ich und

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