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Ein reiner Schrei (German Edition)

Ein reiner Schrei (German Edition)

Titel: Ein reiner Schrei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Dowd
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nicht, Dad?«
    »Keine Ahnung. Ich weiß nicht mehr, was wahr ist.«
    »Dad, es ist wahr, ich schwöre es. Auf Mums Ring.« Sie berührte den Ring kurz mit der Hand. »Siehst du.«
    Er knurrte. »Das sagst du so.«
    »Wirst du widerrufen, Dad? Wenn nicht deinetwegen, dann wenigstens für mich?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Tust du es? Bitte.«
    Er nahm den Ring und schaute durch ihn hindurch, Shell direkt ins Gesicht. Seine Pupille weitete sich, dann steckte er ihn mit einem seltsamen Lächeln wieder in seine Tasche. »Vielleicht. Unter einer Bedingung.«
    »Welche?«
    »Dass du’s mir sagst. Wer wirklich der Vater ist.«
    Bei dem Wort »wirklich« schlug er mit der Faust auf den Tisch. Der Detoxifikationsterror war wieder zurück. Die Wut stand ihm im Gesicht geschrieben.
    »Dad! Spielt das denn eine Rolle?«
    Wieder schlug er mit der Faust auf den Tisch. »Natürlich spielt es eine Rolle! Ich schlag ihn zu Brei! Ich mach Hackfleisch aus ihm. Ich …« Seine Finger knackten. Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Sag … mir … wer … es … war!«, tönte er.
    »Dad!«
    »Sag mir den Namen von diesem Schuft und ich …«
    »Dad. Du kannst ihn nicht verprügeln. Er ist weit, weit weg. Fort.«
    »Dann fahre ich ihm nach. Ich mach ihn zu Kleinholz, diesen Schweinehund.«
    »Das wirst du nicht.«
    »Ich zieh ihm das Fell über die Ohren.«
    »Dann sag ich es dir nicht.«
    »Besser, du sagst es, rate ich dir.« Er spie die Worte aus wie ein Lava speiender Vulkan. Doch sie bemerkte das verschmitzte Funkeln in seinem Blick.
    Shell sank zurück auf ihren Stuhl. Wieder fixierte Dad sie aus zusammengekniffenen Augen. Declan. Die Zeit ist um. Winke, winke. »Okay, Dad. Ich sag’s dir«, seufzte sie. »Unter einer Bedingung.«
    »Herrgott, Mädchen. Ich bin’s, der hier die Bedingungen stellt. Was meinst du denn?«
    »Dass du widerrufst. Und niemandem erzählst, wer der Vater ist.«
    Wieder fluchte er. »Das sind zwei Bedingungen. Du könntest jeden Gesunden in den Wahnsinn treiben!«, schnaufte er. »In Ordnung, ich verspreche es. Ich werd’s niemandem sagen. Aber ich zieh ihm das Fell über die Ohren, wirst schon sehen.«
    »Und du widerrufst?«
    Er knurrte, dann nickte er.
    »Es war Declan, Dad. Declan Ronan.« Nun ist es heraus, Declan, dein Geheimnis. Die Worte fielen von ihr ab wie alte Kleider. Dad würde es bis auf weiteres niemandem sagen. Aber dann, sobald er ein paar Bier getrunken hatte, würde er es Tom Stack, dem Inhaber des Pubs, erzählen, und der würde es Mr McGrath erzählen und der Mrs McGrath, die es dann in ganz Coolbar herumtratschte. Und Mr und Mrs Ronan würden die Letzten sein, die es erfuhren.
    »Declan Ronan?«, keuchte Dad.
    Sie nickte.
    »Der Messdiener?«
    Sie nickte wieder.
    »Diese Etepetete-Ronans? Declan?«
    »Ja.«
    »Deswegen hat er sich also nach Amerika verflüchtigt. Dieser Bengel. Ich bringe ihn um.«
    »Nein! Er wusste es nicht. Das mit mir. Das mit … dem Baby.«
    »Das Baby?« Seine Stimme klang plötzlich anders. »Waren es keine Zwillinge, wie sie gesagt haben?«
    »Nein, Dad. Natürlich nicht.«
    »Also ein Junge, wie sie gesagt haben?«
    »Nein, Dad. Ein Mädchen, wie ich gesagt habe.«
    »Ein Mädchen?«
    »Ein kleines Mädchen. Winzig. Mit blauen Augen, Dad. Und es kam tot zur Welt.«
    »Tot?«
    »Trix, Jimmy und ich, wir haben sie auf dem Acker begraben.«
    Er bedeckte das Gesicht mit seinen Händen, seine Schultern zuckten. Mein Gott, der Alte weint. »Ach, Shell. Vergib mir. Ich hab dir all das angetan. Ich wusste die ganze Zeit Bescheid und habe so getan, als wüsste ich nichts.«
    »Wirst du jetzt widerrufen, Dad?«
    Er nickte. »Alles, Shell. Ich tue alles, was du sagst.« Sein Kopf sank wieder auf den Tisch. »Das Enkelkind deiner Mutter. Ein Mädchen, sagst du? War sie ihr ähnlich, Shell? Sag doch.«
    Shell erhob sich. »Das war sie, Dad. Ein bisschen.« Ihr Stuhl schleifte kreischend über den Boden. Dad mit seinen leuchtend blauen Augen. Strahlend wie Sonnen. Sie griff nach der Tischkante, klammerte sich fest. Die Welt um sie herum wurde trüb. Sie traute ihm nicht. Es war besser, ihn rasch zum Widerruf zu bewegen, solange die Gelegenheit noch günstig war. Sie rief nach dem Wachtposten.
    Der Polizist kam herein und ließ Molloy holen. Stattdessen erschien Sergeant Cochran. Sie stellte den Rekorder an und das Geisterrauschen erfüllte erneut den Raum. Dad stockte und verhaspelte sich, aber dann bekam er die Worte heraus. Ich, Mortimer Talent,

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