Ein reiner Schrei (German Edition)
wohnhaft in der Coolbar Road … Zwei Minuten später hatte er sein Geständnis widerrufen.
Siebenundvierzig
Shell hatte geglaubt, dass der Fall mit Dads Widerruf abgeschlossen sein würde. Doch es verging ein ganzer Tag und nichts geschah. Er saß nach wie vor in Untersuchungshaft.
Gegen Ende der Woche schaute Pater Rose abends vorbei. Die Jungen und Trix saßen gerade am Küchentisch und spielten Fünfundvierzig .
»Herz liegt auf«, rief Liam.
Shell, Mrs Duggan und Pater Rose schauten zu.
»Du hast nicht bedient!«, brüllte Jimmy Trix an.
»Stimmt nicht.«
»Doch. Du hättest das Ass beim letzten Mal ablegen müssen.«
»Das ist mein Ass. Ich kann es ablegen, wann ich will. Stimmt doch, Pater Rose?«
»Frag mich nicht. Ich kenne die Regeln nicht. Wo ich herstamme, spielt man dieses Spiel nicht. Was meinst du, Shell?«
»Wenn Liam Herz vorgibt und du hattest eine Herzkarte, hättest du sie legen müssen, Trix.«
Trix tat so, als hätte sie nichts gehört. Jimmy machte ein Gesicht wie ein wahnsinniger Gorilla, dann verdrehte er die Augen. Shell zwinkerte ihm zu und das Spiel ging weiter.
Pater Rose berührte Mrs Duggans Arm und deutete auf den Kamin am anderen Ende des Zimmers. »Könnten wir drei uns mal unterhalten?«, sagte er leise. Sie nickte und sie begaben sich außer Hörweite. Mrs Duggan holte Pater Rose einen Whiskey und bot ihm und Shell zwei Sessel an.
»Irgendwelche Neuigkeiten? Wird man Joe bald freilassen?«, fragte sie.
»Es sieht nicht danach aus. Ich habe mich heute mit Molloy getroffen. Er besteht darauf, dass das alte Geständnis gültig ist.«
»Dieser Kerl. Er ist wie ein Hund, der seinen Knochen nicht hergibt.«
»Er sagt, er will den Bericht des Gerichtsmediziners abwarten.«
»Und liegt der denn bald vor?«
»Er kann jeden Tag eintreffen.« Pater Rose senkte die Stimme. »Sagen Sie niemandem etwas davon, aber Sergeant Cochran hat mir im Voraus ein paar Dinge verraten.« Sein Blick wanderte zwischen Shell und Mrs Duggan hin und her. »Offenbar haben die Babys unterschiedliche Blutgruppen.«
Shells Hand legte sich an ihren Hals. Sie bekam kaum noch Luft.
»Das eine hat die Blutgruppe A. Das andere Blutgruppe 0«, sagte Pater Rose.
»Was … was bedeutet das?«, stammelte Shell.
»Ganz sicher bin ich mir nicht. Aber das klingt doch sehr vielversprechend.«
»Sie meinen, weil Zwillinge dieselbe Blutgruppe hätten«, sagte Mrs Duggan nachdenklich. »Ich habe auch Blutgruppe 0, wie alle hier. Weißt du, welche du hast, Shell?«
Shell zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Ich weiß nicht mal, was eine Blutgruppe ist.« Sie schaute zu, wie Pater Rose einen Schluck von seinem Whiskey nahm. »Hat man denn herausgefunden, warum mein Baby gestorben ist?«, flüsterte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Entschuldige, Shell, Sergeant Cochran sagte, das sei alles, was sie wisse.« Er deutete mit einem Kopfnicken zu den geschlossenen Vorhängen hinüber. »Dort draußen ist die Hölle los«, sagte er. »Die Presse ist überall. Der Pub ist gerammelt voll. Und die Gardai gehen von Tür zu Tür. Pater Carroll hat eine Sondermesse angekündigt.«
»Wofür?«
»Für das Seelenheil der beiden Babys.«
»Kann ich hingehen?«
Pater Rose hob eine Augenbraue. »Eher würde ich dich in die Höhle des Löwen schicken.«
»Aber ich möchte hingehen.«
Mrs Duggans Hand legte sich auf ihre Schulter. »Wir gehen zusammen hin, Shell. Alle zusammen. So wie letzten Sonntag. Werden Sie die Messe lesen, Pater?«
»Nein. Ich verrichte an diesem Tag meinen Dienst auf der Ziegeninsel.«
»Aber sicherlich …«
»Pater Carroll will nichts davon wissen«, sagte Pater Rose kopfschüttelnd.
Mrs Duggan hob eine Augenbraue und Pater Rose schüttelte wieder den Kopf und winkte ab. Mrs Duggan seufzte und ging, um den Streit am Spieltisch zu schlichten.
Pater Rose machte es sich in seinem Sessel bequem und nahm einen großen Schluck von seinem Whiskey. Shell knetete einen großen Fussel ihres Pullovers zwischen den Fingern. Das Feuer prasselte. Blutgruppe A und 0. Die beiden Babys, nebeneinander auf dem Seziertisch.
»Du hast Schreckliches durchgemacht, Shell.«
Sie zuckte mit den Schultern.
»Mrs Duggan hat mir erzählt, wie du hineingegangen bist und deinen Vater davon überzeugt hast zu widerrufen.«
Sie nickte.
»Wie hast du das denn bloß geschafft?«
Sie hob den Kopf. Pater Rose schaute sie nicht an, sondern in sein Glas. Es ist nicht der erste Schluck, Shell, der zweite auch nicht.
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