Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music
Henderson legte sich einen Finger an die Nase, während Rebus sich den Besucherausweis ansteckte. Hinter dem Empfangsraum lag ein nach oben offenes mehrgeschossiges Großraumbüro, das lediglich mit einer neun- oder zehnköpfigen Notbelegschaft besetzt zu sein schien. Rebus äußerte sich darüber verwundert, und Henderson meinte, dass er wohl noch in der Vergangenheit lebe.
»Heutzutage braucht man nicht viele Leute, um eine Zeitung zu machen.«
»Sie klingen nicht sonderlich begeistert.«
»Das alte Verlagshaus besaß einen eigenen Charakter. Und die alte Redaktion ebenfalls, wo alle wie verrückt durcheinanderwuselten und eine Story zusammenzustöpseln versuchten. Der Chef saß mit hochgekrempelten Ärmeln da und fluchte wie ein Bierkutscher. Die Redakteure qualmten wie die Schlote und versuchten, heimlich Witze in die Texte hineinzuschmuggeln … schnitten und klebten die Seiten per Hand. Mittlerweile ist alles so …« Sie suchte nach dem passenden Wort. »Effizient«, sagte sie schließlich.
»Bulle zu sein war früher auch unterhaltsamer«, versicherte ihr Rebus, »aber wir haben auch mehr Fehler gemacht.«
»In Ihrem Alter haben Sie das Recht, nostalgisch zu sein.«
»Und Sie nicht?«
Sie zuckte bloß die Achseln und setzte sich an einen freien Computer, während sie ihn mit einer Geste aufforderte, sich einen Stuhl ranzuziehen. Ein Mann mittleren Alters mit einem schütteren Bart und einer Halbbrille ging vorbei und sagte hallo.
»Hi, Gordon«, entgegnete Henderson. »Wie war noch mal das Passwort?«
»Connery«, sagte er.
Sie dankte ihm, und während er sich entfernte, lächelte sie in sich hinein. »Die Hälfte der Leute in dem Laden«, erklärte sie Rebus mit gedämpfter Stimme, »glaubt, ich würd immer noch hier arbeiten.«
»Praktisch, hier einfach so reintanzen zu können.«
Sie tippte das Passwort ein und startete die Suche nach dem Namen Andropow. »Vorname?«, fragte sie.
»Sergei.«
Sie suchte noch einmal, erhielt diesmal nur noch halb so viele Treffer.
»Wir hätten doch überall ins Internet gehen können«, sagte Rebus.
»Das ist nicht das Internet; das ist eine Datenbank von Zeitungsartikeln.«
»Aus dem Scotsman?«
»Und jeder anderen Zeitung, die Sie sich nur vorstellen können.« Sie tippte mit dem Finger auf den Bildschirm. »Knapp über fünfhundert Hits«, sagte sie.
»Kommt mir viel vor.«
Sie warf ihm einen Blick zu. »Das sind Peanuts. Soll ich Ihnen die Seiten ausdrucken, oder schauen Sie sich das am Bildschirm an?«
»Mal sehen, wie ich klarkomme.«
Sie stand auf und schob ihren Stuhl beiseite, damit Rebus mit seinem näher an den Monitor rollen konnte. »Ich mach grad die Runde und hör, was so geredet wird.«
»Was sag ich, wenn mich einer fragt, was ich hier treibe?«
Sie überlegte kurz. »Erzählen Sie, Sie wären der Wirtschaftsredakteur.«
»Passt.«
Sie überließ ihn seiner Lektüre und stieg die Treppe hinauf zur nächsten Etage. Rebus fing an zu klicken und zu lesen. Die ersten paar Artikel betrafen Andropows geschäftlichen Werdegang. Die Perestroika hatte eine Lockerung der staatlichen Kontrolle für Industrie und Handel gebracht, wodurch es Männern wie Andropow möglich gewesen war, sich in Industriemetalle, Bergbau und ähnliche Dinge einzukaufen. Andropow hatte sich auf Zink, Kupfer und Aluminium spezialisiert, bevor er in Richtung Kohle und Stahl expandierte. Abstecher ins Gas- und Erdölgeschäft waren im Sand verlaufen, aber in anderen Bereichen hatte er ordentlich abgesahnt. Vielleicht zu ordentlich, was ihn bei verschiedenen amtlichen Stellen unter Korruptionsverdacht brachte. Je nachdem, welchen Enthüllungsjournalisten man fragte, war Andropow entweder ein Märtyrer oder ein Gauner. Nach zwanzig Minuten versuchte Rebus, die Suche dadurch einzugrenzen, dass er das Stichwort »Lebenslauf« hinzufügte. Er wurde durch eine Kurzbiografie Andropows belohnt. Geboren 1960 – selbes Jahr wie Alexander Todorow – im Moskauer Vorort Schdanow – ebenfalls wie Todorow.
»Schön, schön«, murmelte Rebus in sich hinein. Nichts darüber, welche Schulen oder Universitäten Andropow besucht hatte. Seine Jugend war offenbar überhaupt nicht recherchiert worden. Rebus versuchte es mit beiden Namen, Andropow und Todorow, gleichzeitig, zog aber eine Niete. Aber während er die Hits für Todorow allein durchsah – weltweit siebzehnhundert; Mairie hatte recht damit gehabt, Andropows fünfhundert seien kleine Fische -, versuchte er, Informationen
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