Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music
verloren die Typen sofort jegliches Interesse, oder sie hörten nicht auf, Witze zu machen: Na, werd ich gleich mit Handschellen ans Bett gefesselt? Warten Sie nur ab, bis Sie meinen Knüppel sehen. Machen Sie sich keine Sorgen um die Nachbarn, Officer, ich werd ganz leise kommen …
Goodyear war aufgestanden und fragte sie, was sie gerne hätte. »Geht aufs Spesenkonto«, versicherte sie ihm. Ihr Cappuccino war schon bestellt, also brauchte Goodyear lediglich zu zahlen und ihn zu holen. Sie saßen auf Barhockern an einem Tisch am Fenster. Das Café befand sich im Untergeschoss, deswegen sahen sie nicht viel mehr als eine Parade vorüberhastender Beine. Regenböen wehten von der Nordsee herein; jeder hatte es eilig, sich ins Trockene zu bringen. Clarke lehnte den Zucker ab, den er ihr anbot, und forderte ihn auf, sich zu entspannen.
»Das ist kein Vorstellungsgespräch«, sagte sie.
»Hatte ich aber so gedacht«, erwiderte er mit einem nervösen kleinen Lachen, das eine Reihe leicht schiefer Zähne entblößte. Ein wenig abstehende Ohren hatte er auch, und seine Wimpern waren sehr hell. Er hatte einen Becher Filterkaffee vor sich, und die Krümel auf seinem Teller zeugten von einem verspeisten Croissant. »Schönes Wochenende gehabt?«, fragte er.
»Tolles Wochenende«, korrigierte sie ihn. »Die Hibs haben sechs zu eins gewonnen und die Hearts gegen die Rangers verloren.«
»Sie sind ein Hib-Fan.« Er nickte langsam vor sich hin, während er die Information abspeicherte. »Waren Sie im Stadion?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich war in Motherwell, musste mich mit einem Film begnügen.«
»Casino Royale?«
Sie schüttelte den Kopf. »Departed.« Danach schwiegen sie, bis Clarke ein Gedanke kam. »Wie lange vor mir waren Sie schon da?«
»Nicht sehr lang. Ich bin früh aufgewacht, und da dachte ich, ich könnte genauso gut …« Er atmete tief durch. »Um ehrlich zu sein, war ich mir nicht sicher, ob ich das Lokal finden würde, also bin ich reichlich früh los. Ich gehe immer lieber auf Nummer sicher.«
»Zur Kenntnis genommen, PC Goodyear. Na, dann erzählen Sie mal ein bisschen von sich.«
»Was denn so?«
»Egal.«
»Schön, also, ich nehme an, Sie wissen, wer mein Opa war …« Sie nickte. »Die meisten scheinen das zu wissen, auch wenn sie es mir nicht ins Gesicht sagen.«
»Sie waren noch klein, als er starb«, meinte Clarke.
»Ich war vier. Aber da hatte ich ihn schon seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen. Mum und Dad nahmen mich nie mit.«
»Ins Gefängnis, meinen Sie?« Goodyear nickte.
»Mum hat das ziemlich mitgenommen … Sie war schon immer ein nervöser Typ, und ihre Eltern meinten, sie hätte was Besseres verdient als meinen Dad. Als dann sein Dad im Gefängnis landete, sahen sie sich bestätigt. Hinzu kommt noch, dass mein Dad leider dazu neigte, seine Sorgen in Alkohol zu ertränken.« Er lächelte schwach. »Vielleicht wäre es für manche Leute besser, nie zu heiraten.«
»Aber dann gäbe es keinen Todd Goodyear.«
»Gott wird sich wohl was dabei gedacht haben.«
»Erklärt irgendwas davon, warum Sie zur Polizei gegangen sind?«
»Vielleicht – aber danke, dass Sie nicht gleich den naheliegenden Schluss gezogen haben. Jede Menge Leute haben versucht, mir das so zu erklären: ›Du sühnst dadurch, Todd‹ oder: ›Du zeigst, dass nicht alle Goodyears aus demselben Holz geschnitzt sind.‹«
»Phantasielosigkeit?«, tippte Clarke.
»Wie steht’s mit Ihnen, DS Clarke? Was hat Sie dazu gebracht, Bulle zu werden?«
Sie dachte einen Augenblick lang nach, ehe sie entschied, ihm die Wahrheit zu sagen. »Ich glaube, es war Opposition gegen meine Eltern. Sie waren typische Linksliberale, Produkte der Sechziger.«
»Und die einzige Möglichkeit zu rebellieren bestand darin, sich in das Establishment zu integrieren?« Goodyear nickte lächelnd.
»Man kann’s bestimmt schlechter formulieren«, bestätigte Clarke und nahm einen Schluck Kaffee. »Was hält Ihr Bruder von der Sache?«
»Sie wissen, dass er ein paarmal in Schwierigkeiten steckte?«
»Ich weiß, dass wir seinen Namen in unseren Akten haben.«
»Sie haben mich überprüft?« Aber Clarke hatte nicht die Absicht, darauf zu antworten. »Wir sehen uns nie.« Goodyear schwieg kurz. »Okay, das stimmt nicht so ganz – er war im Krankenhaus, und da habe ich ihn besucht.«
»Doch nichts Ernstes?«
»Ein idiotischer Streit in einem Pub. So ist Sol nun mal.«
»Ist er älter oder jünger als Sie?«
»Zwei Jahre älter.
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