Ein Ring aus Asche
zu dem Zirkel, in dem Nan früher mal gewesen ist. Er ist ein Hexer.«
»W ow.« Racey pfiff durch die Zähne. »G ut, dass ihr den los seid.«
»J a«, sagte ich, und mein Hals fühlte sich eng an. »U nd zu allem Überfluss geht der Spaß jetzt erst richtig los. Sowohl Thais als auch ich hatten so eine Art Nahtoderfahrung.« Ich berichtete Racey von Thais’ Schlangen-Albtraum, erwähnte die Beinahe-Messerstecherei, bei der Racey dabei gewesen war, erzählte von dem Straßenbahnunfall und den Wespen.
»A lso wollen wir einen Zauber praktizieren, der uns zeigt, wer dahintersteckt«, fuhr ich fort. »A bgesehen davon bin ich nicht sonderlich begeistert, alleine in dem Haus zu wohnen. Schließlich lebt Thais bei Axelle und Nan ist noch nicht zurück.«
»I hr solltet beide hierbleiben«, sagte Racey mit gerunzelter Stirn. »D u lieber Himmel. Warum seid ihr letzte Nacht denn nicht hergekommen?«
»I ch bin lange aufgeblieben und habe versucht, Nans Schrankzauber zu vollführen, und dann war es zu spät«, antwortete ich.
Racey stupste mich gegen das Knie. »D u Käsehirn! Es ist nie zu spät und das weißt du. Sag, dass du heute Nacht herkommst!«
»V ielleicht«, sagte ich. »W enn sich die Lage bis dahin nicht gebessert hat. Schauen wir doch erst mal, ob das hier funktioniert.«
Wir hatten uns so hingesetzt, dass wir ein Dreieck innerhalb des Kreises bildeten. Ich hob die vier Schutzsteine vom Boden auf. »E in Stein für uns, ein Stein für das Problem, ein Stein für die Vergangenheit, ein Stein für die Zukunft«, sagte ich und legte sie in einem Viereck um uns herum.
»H ast du ein Element?«, wandte sich Thais an Racey.
»J a, natürlich«, erwiderte Racey überrascht. Sie zog an ihrer Kette und zeigte Thais den großen Mondstein-Anhänger, den sie trug. »E rde. Ich benutze einen Kristall als Sinnbild. Außerdem ist er hübsch und bringt meine Bräune zur Geltung.«
In der Mitte zündete ich für Thais und mich eine Kerze an.
Dann hielten wir uns alle an den Händen, ich las den Zauber laut vor und übersetzte ihn für Thais. Auf Französisch klang er viel schöner. Außerdem mochte ich es, wenn die Zeilen sich reimten. Aber was soll’s.
Wir schreiten im Sonnenlicht,
Schatten folgen uns.
Wir blicken auf Feuer,
Wir stehen unter einem Stein,
Wir sind unter Wasser,
Ein Sturm kommt auf uns zu.
Mögen diese Worte seinen Schöpfer enthüllen,
Gebt dem Schatten ein Gesicht, einen Namen.
Zeigt uns, wer uns mit dem Feuer Böses will,
Wer einen Stein über uns hält,
Wer uns unter Wasser zieht,
Wer einen Sturm heraufbeschwört,
Um uns zu zerstören.
Ich konzentrierte mich auf die Kerze und begann, mein Lied zu singen, das mir Kraft gab und auf eine gewisse Art einem Text folgte, und dann auch wieder nicht. Die Klänge rührten von alten Worten her, und obwohl ihre Macht noch immer spürbar in dem Lied lag, waren die Worte selbst abgeschliffen und hatten reinen Sound übrig gelassen, pure Magie.
Nach ungefähr einer Minute begann Racey, ihr Lied mit meinem zu verweben, es in meines und um meines herum zu spinnen, darüber, darunter und direkt hindurch. Wir sahen einander an und lächelten. Wir hatten dies schon so oft getan, dass wir es nicht mehr zählen konnten, und doch erschien es uns jedes Mal neu und aufregend.
Ich hatte nicht erwartet, Thais singen zu hören, denn sie konnte ihr Lied ja noch gar nicht kennen. Man entwickelte es über mehrere Jahre, während man sich mit Magie befasste. Doch plötzlich erklang eine dritte Stimme. Ich warf ihr einen überraschten Blick zu und sah, wie sie leise sang, während sie die Kerze betrachtete. Ich konnte die Art ihres Gesangs nicht genau ausmachen, aber er hörte sich richtig an, nicht wie unzusammenhängendes Gestammel. Racey und ich wechselten ein paar schnelle Blicke, dann schauten wir wieder in die Kerze und sangen weiter.
Normalerweise gleichen sich zwei Stimmen aus, eine die andere, und gemeinsam brachten sie reine, wunderschöne Magie hervor. Doch irgendwie zentrierte uns Thais, so wie ein dreibeiniger Hocker stabiler ist als eine Leiter, die nur auf zwei Beinen steht. Und auch wenn sich Thais beim Sprechen fast genauso anhörte wie ich, unterschied sich unser Gesang doch ganz erheblich. Ihre Stimme war irgendwie ätherischer. Meine eigene kam mir schärfer und kräftiger vor, ihre hingegen geschmeidiger, fließender.
Das hier war so ziemlich der anspruchsvollste Zauber, den ich je ohne einen Lehrer ausprobiert hatte, und ich hatte
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