Ein Ring aus Asche
und ein riesiges Gebüsch aus Ingwerpflanzen, die das kleine Häuschen üppig überwuchsen. Azuras geliebte Bambuspflanzen drohten die restliche Fläche zu übernehmen, und ich fragte mich, ob Thais wohl den hübschen kleinen Haschhain im hinteren Teil des winzigen Gemüsegartens erkennen würde. Raceys Dad baute ihn für Krebspatienten an, die sich einer Chemotherapie unterzogen.
Raceys Dad war Künstler. Er hatte eine riesige Sonne auf die Tür des Häuschens gemalt. Innen erhellten zwei kleine Fenster sowie eines im Dach die Wände und den Boden, die über und über mit Symbolen, Runen und magischen Formeln bedeckt waren.
Natürlich hatte ich all das schon Millionen Male gesehen, doch ich fragte mich, wie es wohl auf Thais wirkte. Sie blieb an der Türschwelle stehen und sah sich um. Bestimmt hatten sie so etwas nicht in Welsford, Connecticut, wo sie aufgewachsen war. Racey ging zu ihrem Schrank und begann, allerlei magische Hilfsmittel zutage zu fördern. Ich öffnete Nans Buch und blätterte darin herum, um den richtigen Spruch zu finden.
»W as ist das?«, fragte Thais und fuhr mit den Fingern über ein Symbol. Ich blickte auf. »Ä hm, sain et sauf«, erwiderte ich. »D as heißt so viel wie gesund und wohlbehalten. Es dient dem Schutz.«
»W ie diese Runen letzte Nacht?«
»N ein. Das waren, wie du eben sagst, Runen. Sain et sauf ist ein magisches Symbol, aber keins aus einem Runenalphabet.«
»E s gibt mehr als ein Runenalphabet?«
»J a, mehrere«, sagte Racey, während sie die vier Pokale ihrer Familie aufstellte. Sie waren aus grünem Marmor.
»A ber unser Zweig der, äh…« Ich suchte nach dem richtigen Wort. »… Naturreligion hat eigene Symbole, die Jahrhunderte alt und sehr machtvoll sind.«
»I st diese Naturreligion die Bonne Magie, von der du mir erzählt hast?«
»J a«, sagte ich abwesend und fuhr mit dem Finger über die Buchseite. »H ast du Tigeraugen?«, fragte ich Racey.
»I ch schaue nach. Was sonst noch? Eine Kupfermünze?«
»N ein. Gold. Und gib mir vier Schutzsteine.«
»O kay, mal sehen«, murmelte Racey, während sie in dem Schrank herumkramte. »A lso, hier habe ich zwei Tigeraugen. Und ein paar Achate und Malachite. Gagat. Und vielleicht einen Zitrin?«
In Gedanken ging ich das Zubehör durch. »D as müsste gehen. Lass das zweite Tigerauge. Ich will nicht aus dem Gleichgewicht kommen.« Ich wandte mich zu Thais um, während Racey sich anschickte, einen Kreis auf den Boden zu zeichnen. »M agie Naturelle ist quasi der Überbegriff der in Frankreich verbreiteten Version des Wicca. Und dann gibt es noch verschiedene Unterformen.«
Thais zog die Stirn kraus. »A ch ja?«
Oh, Déesse, sie hatte noch so viel zu lernen. Ich war wirklich froh, nicht in ihrer Haut zu stecken. »J a, so wie ›Pictish‹, ›Scottish‹ und so weiter. Ein ganzer Haufen. Für uns ist die Naturreligion wie eine Art Dach. Und den Zweig, der in unserer eigenen famille weitergegeben wird, nennen wir Bonne Magie.«
»I ch hab sie Petra einmal Notre Chose nennen hören«, fügte Racey hinzu. »U nsere Sache.«
»W ie die Mafia?«, fragte Thais schwach. »C osa Nostra?«
Vielleicht muteten wir ihr zu viele Informationen auf einmal zu.
»J a, klar«, sagte ich. »G enauso. Bis auf die Tatsache, dass wir französische Hexen sind, die aus der ewigen mystischen Energie unseres Umfelds schöpfen, um Gutes zu tun, und die von der Mafia sind menschenabschlachtende Italiener. Aber sonst ist es genau das Gleiche.«
Thais blickte ein wenig verlegen drein.
Ich zog sie in den Kreis und Racey schloss ihn hinter uns. Wir setzten uns einander gegenüber im Schneidersitz auf den Boden.
»O kay, und was machen wir jetzt?«, fragte Racey.
Mir wurde klar, dass ich sie seit Tagen nicht auf den aktuellen Stand unserer Soap-Opera gebracht hatte. Ich atmete tief aus und fragte mich, wo ich wohl am besten anfangen sollte.
»I rgendjemand versucht, Clio und mir etwas anzutun«, sagte Thais. »U ns umzubringen.«
Racey blickte zwischen uns beiden hin und her. »H ä?«
»J a, das hat sich alles ein bisschen seltsam entwickelt«, erwiderte ich. Ein riesiges Understatement.
»D u meinst, seltsamer als plötzlich einen eineiigen Zwilling zu haben und herauszufinden, dass der Traum aller Frauen mit euch beiden gleichzeitig ausgeht?«, fragte Racey unverblümt.
»J a, noch seltsamer«, sagte ich und war plötzlich müde. »N an ist noch nicht wieder da. Und wie sich herausgestellt hat, gehört der Traum aller Frauen
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