Ein Ring aus Asche
Blick auf sich ruhen. Sie liebte ihn– sie hatte ihn immer geliebt. Es hatte ihr wehgetan, zu sehen, wie offenkundig er Cerise begehrte. Cerise hatte ihn abgewiesen, gelacht und ihn einen kleinen Jungen genannt. Petra hatte Richards Schmerz erkannt und er hatte ihr leidgetan. Und Marcel hatte ihn mit seinen Blicken förmlich erdolcht.
Dann war Cerise gestorben. Marcel war zusammengebrochen, hatte öffentlich getrauert. Doch Richard hatte alles mit sich allein ausgemacht. Sein jungenhaftes Benehmen war vom bitteren Zynismus und der Kälte eines Erwachsenen überlagert worden.
Während sie sein hübsches, jugendliches Gesicht betrachtete, das nie zu voller Schönheit heranreifen würde, fühlte sie zum ersten Mal seit Jahren wieder Kummer. Die Zwillinge, die über ihre Vergangenheit Bescheid wussten, die Treize, die sich wieder versammelte… Das alles förderte so viele Erinnerungen zutage… Erinnerungen, von denen sie gehofft hatte, sie würden für immer begraben bleiben.
»E s tut mir leid…«, begann sie, dann hielt sie inne. Das Eingeständnis hatte sie selbst überrascht.
Süffisant hob Richard eine Augenbraue.
Petra schluckte. »E s tut mir leid, dass Cerise dich abgewiesen hat«, sagte sie. »N och ein paar Jahre und ihr wärt ein hübsches Paar gewesen. Ich mochte dich lieber als Marcel. Aber er hat so viel für uns getan…«
Nie zuvor hatte sie ihn so direkt auf Cerise angesprochen. Die ganze Zeit über hatte sie ihre Empfindungen für sich behalten. Warum auch Salz in die Wunden streuen? Und jetzt, da sie Richards eisigen Blick sah, wünschte sie, sie hätte geschwiegen.
Q-Tip sprang auf den Boden und lief durch die Hintertür nach draußen, fast so, als wäre ihm die Spannung im Raum zu viel geworden. Petra stützte den Kopf in die Hände und blickte auf den gemaserten Küchentisch.
Nach einer langen Pause bewegte sich Richard in seinem Stuhl. »D ie Treize hat Thais und Clio von der Quelle erzählt, von dem Ritus und von Melita. Ich kann mir vorstellen, dass die Mädchen eine ganze Menge Fragen an dich haben.« Seine Stimme klang distanziert, unpersönlich. »U nd… wie es scheint, ist Lucs ganz spezielles magisches Merkmal immer noch sehr ausgeprägt.«
»B itte?«
Richard zuckte die Schultern. »E s hat sich herausgestellt, dass beide Mädchen unfassbar sauer auf ihn sind. Die Spannung zwischen den dreien könnte einen Zug anhalten.«
»V erdammt«, sagte Petra. »S o schnell? Alle beide? Ich werde mit Luc sprechen müssen.« Beim Gedanken an den Verlauf dieses Gesprächs wurden ihre Lippen schmal. Sie atmete aus und wünschte, sie könnte sich hinlegen und ein Jahr lang schlafen. »I ch hatte auf mehr Zeit gehofft«, sagte sie. »E s hat alles viel zu bald, viel zu schnell angefangen. Alles was ich schon seit so langer Zeit fürchte.«
»D u fürchtest dich also davor?«, fragte Richard.
Petra blickte rasch auf. Richard war viel mit Daedalus und Jules zusammen gewesen, wahrscheinlich um ihnen zu helfen. Aus welchem Grund auch immer. Es war gut möglich, dass er heute hier war, um herauszufinden, wo genau Petra stand.
Sie wählte ihre Worte mit Vorsicht. »R ichard… Ich habe die Zwillinge siebzehn Jahre lang beschützt. Was auch immer Daedalus’ Ansicht nach mit Hilfe des Ritus geschehen soll, was auch immer wir anderen damit anstellen oder wofür auch immer wir ihn wollen könnten– wir sind uns nach wie vor nicht sicher. Keiner kann behaupten, seine Wirkung zu kennen. Auch wenn es vielleicht unvermeidbar ist, ihn zu vollführen, ja, es gibt Momente, in denen ich mich schrecklich davor fürchte, es herauszufinden.«
Er nickte ruhig, ohne den Blick von ihr zu wenden. Dann trank er seinen Tee aus und erhob sich. »I ch verstehe. Ich selber finde die Sache auch noch ein wenig unausgegoren. Aber es ist ein großer Spaß, den alten Jungen so herumfuhrwerken zu sehen.«
Petra folgte ihm zur Eingangstür. Er öffnete sie und trat hindurch, drehte sich jedoch noch einmal um, um sie anzusehen.
»C erise hat mich nicht abgewiesen«, sagte er leise. Bevor Petra ihre Stimme noch wiedergefunden hatte, war er auch schon die Stufen hinunter und verschwunden.
Kapitel 7
Thais
Ich lag am Boden neben dem Schrank. Die linke Seite meines Gesichts fühlte sich an, als hätte jemand mit einem Baseballschläger darauf eingedroschen. Ich versuchte, nicht zu stöhnen, während ich mich in eine sitzende Position hievte. Es war schon wieder passiert. Ich fühlte mich schrecklich. Zitterig und
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