Ein Ring aus Asche
Thais Magie anwenden.«
»G laubst du wirklich, dass sie der Auslöser war?«, fragte ich. »A ber warum sollte sie so etwas bewirken? Sie hat doch noch kaum Macht. Und es kann auch nicht daher kommen, dass sie so unerfahren ist. Ich meine, ich könnte mit jedem x-beliebigen, unbeleckten Kleinkind Zauber anwenden und würde nicht quer durch einen verdammten Raum geschleudert werden.«
»N un, ich weiß jedenfalls, dass ich es nicht bin«, erwiderte Racey trocken.
Zum mittlerweile hundertundeinten Mal wünschte ich mir, dass Nan endlich zurückkam, und das, obwohl ich so sauer auf sie war. Bei der Gelegenheit fiel mir etwas ein: Ich holte mein Handy hervor und wählte Ouidas Nummer. Es klingelte, aber am anderen Ende meldete sich nur ihre Mailbox. Ich hinterließ ihr eine Nachricht und bat sie, mich zurückzurufen.
»O kay, also dann komme ich hiermit auf dein Übernachtungsangebot zurück«, sagte ich schließlich zu Racey. »I ch möchte in diesem Haus einfach nicht noch eine Nacht alleine bleiben. Aber lass mich erst nach Hause gehen und ein bisschen Zeug zusammenpacken, nachher komme ich dann, okay?«
»C ool«, sagte Racey und stieg aus dem Auto. »D ann bis später.«
»B is dann.«
Während ich nach Hause fuhr, schlugen mir meine Sorgen so richtig aufs Gemüt. Erst vor ein paar Wochen war ich noch überglücklich gewesen. Ich hatte André kennengelernt, meinen Seelenverwandten, den Jungen, mit dem ich den Rest meines Lebens hatte verbringen wollen. Nan war einfach nur meine Nan gewesen, und alles normal.
Und nun nichts dergleichen. Ich hatte eine eineiige Zwillingsschwester. Die wunderbare Thais, die alle Jungs anstarrten. Und ich war nicht länger einzigartig. Nan war nicht länger meine Großmutter, sondern zusammen mit einem Haufen anderer Hexen Teil einer Science-Fiction-Inszenierung, gegen die das TV -Format Survivor wie eine nette Teegesellschaft wirkte. Nan, meine Nan, hatte mich mein ganzes Leben lang angelogen. Alles was ich über sie und mich als richtig angenommen hatte, war eine Lüge gewesen. Es war, als würde ich sie gar nicht kennen, als hätte ich mit einer Fremden gelebt. Und doch… Sie war immer noch meine Nan, die einzige Erwachsene, die sich stets um mich gekümmert hatte. Ich konnte nicht anders: Für mich war sie immer noch der einzige Mensch, bei dem ich mich sicher fühlte, vor allem wenn jemand versuchte, Thais und mir etwas anzutun. Bei dem Gedanken zitterte ich und blickte automatisch in den Rückspiegel. Ich wusste nur zu gut, was Thais meinte, wenn sie davon sprach, dass sie sich dauernd wie an einem Abgrund fühlte. Es war, als könne permanent jemand irgendwo auf mich lauern, um mich anzugreifen. Es war jenseits von irre, zu wissen, dass sich jemand deinen Tod wünschte, und keine Ahnung zu haben, wer dieser Jemand sein könnte.
Ich blickte wieder auf die Straße und fuhr bis vor unser Haus. Als ich sah, dass Nans alter Volvo drei Autos weiter geparkt stand, überkam mich unendliche Erleichterung. Sie war zurück!
Jetzt würde ich Antworten auf meine Fragen bekommen, ihren Erklärungen lauschen können! Ich sprang aus dem Auto und rannte durch das Tor und die Treppen hinauf. Nan öffnete mir die Tür. Ich zögerte nur eine Sekunde– schließlich war ich richtig sauer auf sie–, doch die Gewohnheit und meine Sorgen gewannen die Oberhand, und ich warf mich in ihre Arme.
»N an!«, sagte ich. »N an! Ich dachte schon, du kommst nie mehr zurück!«
Sie hielt mich fest an sich gedrückt, strich mir mit einer Hand übers Haar und murmelte dabei leise »S chschsch«, wie sie es früher immer gemacht hatte, als ich noch ein Kind war und mir das Knie aufgeschlagen hatte. Es überraschte uns beide, dass ich plötzlich in Tränen ausbrach. »G eh nicht wieder weg«, schluchzte ich, wobei ich mein ruhiges, cooles Clio-Image sehr wirkungsvoll zunichte machte.
»D as werde ich nicht, Liebes«, sagte Nan. »J etzt komm mit rein und erzähl mir alles.«
Wir gingen in die Küche, und ich bemerkte, dass sie lange genug zu Hause gewesen war, um sauber zu machen. Ich sah zu, wie sie uns ein kaltes Getränk einschenkte.
»D u hast mich angelogen«, sagte ich und merkte, wie sie zusammenzuckte. »I ch habe dir vertraut. Du hast mich mein ganzes Leben lang belogen. Du hast mir meinen Vater vorenthalten. Ich werde nie mehr die Möglichkeit haben, ihn kennenzulernen.«
»E s tut mir so leid, Clio«, erwiderte sie. »I ch hatte… Angst. Ich wollte, dass du in Sicherheit bist. Um
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