Ein Ring aus Asche
der Faust ein Loch ins Fliegengitter geschlagen, um ihn zu retten.«
Nan griff nach Thais’ Hand und besah sich die Kratzer, die das metallene Gitter auf ihr hinterlassen hatte. Dann legte sie erneut die Arme um uns und begann, auf das Haus zuzulaufen.
»I ch bin so froh, dass keinem von euch etwas zugestoßen ist«, sagte sie.
Kapitel 18
Sie haben gesehen, was passiert ist
»Aber sie wurden nicht verletzt?«, fragte Ouida und warf Petra im Rückspiegel einen Blick zu.
»N ein«, sagte Petra. »D ie beiden sind heute in die Schule gegangen, aber ihre Hände und Gesichter sehen aus wie von der Sonne verbrannt.«
»U nd du weißt nicht, wie das passiert ist?«, fragte Sophie.
»S ie haben einen Zauber angewandt«, erwiderte Petra. Sie schloss die Augen und lehnte sich in ihrem Sitz zurück, froh, dass Ouida fuhr. Sie hatte das Gefühl, in den letzten siebzehn Jahren mit Clio mehr gealtert zu sein als in den zweihundert Jahren zuvor. »E inen Zauber, der enthüllen sollte, weshalb Thais’ Magie ständig so außer Kontrolle gerät.«
»D as tut mir alles so leid«, sagte Ouida. »W ie steht’s mit dem Haus?«
»D ie Feuerwehr hat einen Wasserschaden verursacht«, antwortete Petra und wünschte, sie könne das Bild ihres verkohlten Heims aus ihren Gedanken verbannen. »D as halbe Haus stand in Flammen. Das muss alles abgeschliffen und gestrichen werden und etwa ein Viertel der Verschalung muss komplett ersetzt werden. Die Fenster haben Sprünge und brauchen neue Scheiben. Drinnen riecht es wie in einer Räucherkammer. Thais und Clio sind bis spät aufgeblieben und haben versucht, das Wasser in der Küche aufzuwischen, aber es wird Wochen dauern, das Haus wieder einigermaßen normal herzurichten.«
Sie öffnete die Augen und sah, wie Ouida sie im Rückspiegel betrachtete.
»H ältst du das für eine Bestätigung deiner Theorie vom bösen Zwilling?«
»I ch weiß es nicht«, sagte Petra erschöpft. Zuerst den ganzen Tag über diese schwierige Geburt und dann fand sie beim Heimkommen das Haus in Flammen vor. Clio war so verstört gewesen, weil sie Petras Bücher und ihre Arbeitsmaterialien nicht hatte retten können… Als würde sie so etwas bekümmern. Und sie waren sowieso verschont geblieben. Der erste, angsterfüllte Gedanke, der ihr in den Sinn gekommen war, zielte darauf, ob ein anderer das Feuer gelegt hatte, um den Mädchen Leid anzutun. Aber dies schien nicht der Fall zu sein.
»W arum versuchst du nicht, dich etwas auszuruhen?«, schlug Ouida vor. »I ch weck dich, wenn wir in Chacahoula ankommen.«
»V ielleicht sollte ich das tun.« Nachdenklich blickte Petra aus dem Autofenster. »D ie Mädchen hatten gemeinsame Visionen von jener Nacht, von der Treize, dem Baum, Melita, wisst ihr? Sie haben den Vorfall beschrieben, als wären sie dabei gewesen.«
Entsetzt drehte sich Sophie in ihrem Sitz um. »P as vraiment! Wie sollte das möglich sein?«
»I ch weiß es nicht«, antwortete Petra. »A ber sie haben wirklich gesehen, was passiert ist. Mehr als einmal. Wirklich gesehen… den Regen, das Aufbranden der Macht, den Blitz. Cerise.« Auch nach all der Zeit war der Schmerz bei der Erinnerung an ihre Tochter immer noch frisch. Seither hatte Petra versucht, so vielen Frauen, wie sie nur konnte, bei der Geburt beizustehen. »U nd letzte Nacht haben sie eine Frau mit dem Gesicht nach unten im Sumpf liegen sehen. Eine dunkle Gestalt stand über ihr und hielt etwas in der Hand, wohl eine Art Waffe. Thais hat die Frau als dunkelhaarige Schönheit mit schwarzen Augen beschrieben.«
»D och nicht Axelle?«, fragte Ouida.
»N ein. Axelles beste Freundin.«
»M elita?«, fragte Sophie. »S ie haben ihren Tod gesehen?«
»I ch weiß nicht, ob sie tot war«, erwiderte Petra langsam. »C lio sagte nur, sie habe mit dem Gesicht nach unten gelegen und irgendjemand habe auf sie herabgeblickt. Es war ganz klar eine bedrohliche Situation. Vielleicht wurde sie tatsächlich in jener Nacht getötet… oder vielleicht nur bedroht oder verletzt? Ich verstehe nicht, wie sie hätte sterben sollen…«
»D aedalus glaubt, es bestünde die Möglichkeit, dass sich der Ritus irgendwie anders auf Melita ausgewirkt hat«, sagte Ouida. »D ass sie vielleicht gar nicht unsterblich wurde. Aber das klingt so unwahrscheinlich.«
»U nmöglich«, sagte Sophie stirnrunzelnd.
»A ber sie ist in jener Nacht spurlos verschwunden«, gab Petra zu bedenken. »O hne auch nur irgendwas von ihren Sachen mitzunehmen… Nicht dass sie
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