Ein Ring aus Asche
einem unordentlichen Pferdeschwanz gebändigt hatte. Grüne Augen, die ihn erbost anfunkelten. Er hatte sie begehrt, hatte sich gefragt, wie sich ihre nicht enden wollenden Beine wohl anfühlten, wenn sie sich um seine Taille schlangen. Er hatte sie immer noch nicht küssen wollen, doch dann hatte er es einfach getan, und wenn sie ihn nicht weggestoßen hätte, er hätte nicht aufgehört.
Doch das hatte sie. Und das war gut so. Er wünschte, es wäre nicht so weit gekommen. Er würde es nie wieder tun. Nie.
Kapitel 23
Thais
» Willst du einen Kaffee trinken gehen?«, fragte Kevin. »O der irgendetwas anderes? Bevor du nach Hause fährst?«
Ich lächelte ihm zu und mein Gesicht brannte dabei nur noch ein kleines bisschen. Es war fast verheilt. »D as wäre toll.« Nur für kurze Zeit würde ich den gigantischen Hausputz daheim schwänzen. Clio hatte mir grünes Licht gegeben, also nutzte ich die Gelegenheit. In den letzten Tagen war ich von der ganzen Putzerei so steif und verkrampft, dass ich mich kaum noch rühren konnte. Ich hatte mir eine Pause verdient.
»S uper.« Er startete seinen kleinen roten Mazda Miata und lenkte ihn vom Bürgersteig vor der Schule weg. »W ie wär’s mit dem Botanika?«
»Ä h, nein«, sagte ich. Nirgends, wo ich Luc über den Weg laufen konnte. Mit Clio und Racey hatte ich es riskiert, aber ohne sie wollte ich ihm nicht begegnen. Ich warf Kevin einen kurzen Blick zu. »W as ist mit dem anderen auf der Magazine Street, jenseits der Jefferson? Wie heißt das noch mal?«
»C afé de la Rue«, antwortete Kevin, ohne zu überlegen, während er von der Jefferson in Richtung Fluss abbog. Inzwischen wusste ich, dass niemand hier von Norden, Süden, Osten oder Westen sprach, wenn er einem den Weg beschreiben wollte. Man fuhr entweder auf den Fluss zu oder von ihm weg und für den See galt das Gleiche. Da sich der Fluss muschelförmig um die Stadt bog, musste man erst wissen, wo man sich vom Fluss oder See aus gesehen befand, bevor irgendeine Weisung Sinn ergab. In meiner Vorstellung lag der See im Norden und der Fluss im Osten. Doch wenn man nach Osten fuhr und den Fluss überquerte, befand man sich am westlichen Ufer. Ich stieg da nicht ganz durch, aber andererseits wusste ich ja bereits, dass New Orleans durch und durch exzentrisch war, was die Menschen hier als völlig normal ansahen und nicht infrage stellten. In gewissem Sinne war es charmant, doch es konnte einen auch wahnsinnig machen.
Das Café de la Rue war ganz anders als das Botanika. Die meisten hier waren Studenten aus dem College, es ging ein wenig formeller zu und ein Hauch von alter Welt lag über dem Laden. Im Botanika hingegen musste man flippig sein, geheimnisvoll und unkonventionell.
Wir bestellten unsere Drinks und setzten uns an die kleinen Holztische bei den breiten Fenstern, die auf den Bürgersteig hinausgingen. Auf der schmalen Fensterbank standen ein paar Topfpflanzen und einer dieser kleinen Zimmerspringbrunnen, die elektrisch betrieben wurden. Das gedämpfte, plätschernde Geräusch war beruhigend. Um uns herum arbeiteten die Leute an ihren Laptops, allein oder zu zweit. Einige hatten Kopfhörer auf. Während ich meinen Eiskaffee trank und mich umsah, wurden mir zwei Dinge klar: Erstens hatte ich in den letzten drei Monaten mehr Kaffee getrunken als in den siebzehn Jahren davor und zweitens konnte man an keinem Ort der Welt so gut Leute beobachten wie in New Orleans.
»D iese ganze Story mit dem lang verloren geglaubten Zwilling mit Clio ist total abgedreht«, sagte Kevin, während er ein Zuckerstück in seinen Eiskaffee plumpsen ließ.
Er hatte ja keine Ahnung. »J a, das ist sie wirklich. Aber es ist auch toll, weil ich wieder eine Familie habe. Ohne meinen Dad war ich einfach nur verloren.«
»D as muss wirklich schlimm für dich gewesen sein«, sagte Kevin teilnahmsvoll. »M eine Mom ist gestorben, als ich sieben war, und mein Dad war nach einem Jahr schon wieder verheiratet. Ich glaube nach wie vor, dass er nicht wusste, was er mit mir und meiner Schwester anfangen sollte.«
»D as tut mir leid.«, antwortete ich. »V erstehst du dich mit deiner Stiefmutter?«
Kevin nickte. »E hrlich gesagt, ja. Ich meine, ich erinnere mich, dass es am Anfang schrecklich war, aber sie ist wirklich gut mit meiner Schwester und mir umgegangen. Inzwischen kommt sie uns tatsächlich wie eine Mom vor.«
»D as klingt schön«, erwiderte ich. »M ein Dad hat nie mehr geheiratet, es gab immer nur ihn und mich. Dann war
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