Ein Ring aus Asche
liegen. Ich wollte, dass er mir gehörte, genauso wie er es behauptet hatte, und dass ich ihm gehörte. Mein ganzer Körper wurde von Erinnerungen an Luc überflutet. Wie er sich anfühlte, wie er schmeckte…
Natürlich hatte Clio dieselben Erinnerungen.
Erneut schluckend blickte ich auf und warf Kevin ein strahlendes Lächeln zu. »D as hat wirklich Spaß gemacht«, sagte ich. »M einst du… Würdest du irgendwann mal gerne ins Kino gehen?«
Kevin sah glücklich aus und ich fühlte mich ein wenig besser. »J a, das würde ich sehr gerne. Wie wär’s mit diesem Wochenende? Soll ich dich anrufen?«
Ich schrieb ihm Petras Nummer auf und er steckte sie in seine Tasche. Mir war noch immer ein wenig unbehaglich zumute, denn ich konnte Lucs Anwesenheit fühlen. Abwesend streckte ich den Arm aus und hielt meinen Finger in die dünne Fontäne des Brunnens auf der Fensterbank. Dann, wie aus dem Nichts, hatte ich plötzlich einen Reim im Kopf:
Lass mich wählen einen Pfad des Lichts,
Wenn mein Leben ist dunkel, ohne Sicht,
Mein Herz allein und so verlor’n,
Liebe schmerzt wie einer Rose Dorn.
Ich bin Schatten, ich bin Sonne,
Meine Seel’ steht für der Liebe Wonne.
Doch auf dem Pfade liegt mein Schmerz,
Versteckt in meines Liebsten Herz.
Es war ein Zauberspruch, das wusste ich, aber ich hatte keine Ahnung, wo er hergekommen war, geschweige denn weshalb, oder was er anrichten würde. Genau genommen schien er auch keinen richtigen Zweck zu verfolgen. Ein Zauber. Rasch blickte ich mich um. Fast erwartete ich, die Spiegel über der Ladentheke würden zerbersten und die Computerbildschirme Funken sprühen. Doch alles blieb ruhig.
»Ä h…«, machte Kevin.
Ich sah zu ihm auf. Er starrte matt blinzelnd auf die Tischplatte und begann plötzlich seitlich aus dem Stuhl zu kippen.
»K evin!« Rasch sprang ich auf, packte ihn bei den Schultern und drückte ihn sachte wieder auf seinen Stuhl zurück. Sein Körper fühlte sich schlank und hart an wie eine Statue. Er schüttelte den Kopf, um wieder klar zu werden. »B ist du in Ordnung?«, fragte ich und versuchte, leise zu sprechen.
»J a«, erwiderte Kevin mit etwas kräftigerer Stimme, blinzelte noch ein paarmal und richtete sich dann auf. Fassungslos fuhr er sich mit der Hand über die Stirn. »I ch hab keine Ahnung, was passiert ist«, sagte er entschuldigend. »P lötzlich war mir einfach… komisch. Sorry.«
»K ein Problem«, antwortete ich. »T ut mir nur leid, dass es dir schlecht geht. Meinst du, da stimmt irgendwas nicht? Wirst du krank?«
»N ein, alles klar, mir geht’s schon wieder gut«, sagte Kevin und sah aus, als würde es stimmen. »I ch weiß nicht, was das war, aber jetzt ist es vorbei.« Er lächelte mich an und ich tätschelte seine Schulter.
»W arum gehen wir nicht einfach?«, fragte ich und griff nach meiner Tasche. »I ch muss sowieso nach Hause. Ich habe Clio versprochen, ihr beim Abendessenkochen zu helfen.« Es fühlte sich so gut an, zu wissen, dass jemand zu Hause auf mich wartete, dass ich jemanden hatte, dem ich Bescheid sagen musste. Jemanden, dem ich wichtig war.
»I n Ordnung.« Kevin stand auf. Es wirkte okay, von Schwindel oder Ähnlichem keine Spur. Als wir das Café verließen, konnte ich nicht anders, als einen kurzen Blick nach hinten zu Luc und Richard zu werfen. Nur einmal.
Beide saßen sie da, schauten mich an und hatten einen merkwürdigen Ausdruck im Gesicht. Richards Blick war wachsam und überrascht. Luc schien völlig unbewegt und auf mich konzentriert, als wäre er ein Entdecker und ich eine neue Spezies, die sich sofort verkrümeln würde, wenn er nur einen Laut von sich gab.
Und genau das würde ich tun.
Ich drehte mich um und folgte Kevin aus dem Café.
Also ehrlich, nur ich schaffte es, einen simplen Eiskaffee-Zwischenstopp mit so vielen Emotionen und Qualen aufzuladen.
Kapitel 24
Du selbst strebst nach mehr Macht
Daedalus sah Axelle an, die auf der Couch lag und eine Zeitschrift las, und versuchte, sein Missfallen nicht allzu deutlich zu zeigen.
Doch sein Vorhaben scheiterte jämmerlich.
Als Axelle merkte, wie Daedalus sie beobachtete, blickte sie auf. »W as?«, fragte sie ungehalten.
Nun, ungehalten war er auch. »E s gibt viel zu tun. Warum liegst du hier rum und liest diesen hirnlosen Quatsch?«
»D as ist mein Haus«, erwiderte sie lapidar. »I ch mache, was mir gefällt.«
»E s gibt jede Menge sinnvollere Dinge, die du tun könntest«, erzürnte sich Daedalus. »I mmerhin arbeiten wir auf
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