Ein Ring von Tiffany - Roman
würden, begeistert über den unerwarteten goldenen Spätherbst, zu den Tanzklubs und Loftpartys stürmen, bei denen an diesem Abend die Post abging, und sie durfte sich in irgendeiner stickigen Wohnung in der Upper East Side vergnügen. Bestimmt war sie gesteckt voll mit muffigen Antiquitäten und kostbaren kleinen Sammlerstücken. Allein bei dem Gedanken daran wurde ihr schon übel. Antiquitäten brachten sie zum Niesen. Und dann das Limoges-Porzellan! Schon der Anblick dieser kleinen Döschen verursachte ihr Brechreiz. Sie hatte im Rahmen des Vertretbaren gemeckert, als Toby ihr die Abendplanung verkündete, aber sie wollte es auch nicht auf die Spitze treiben; Toby mochte eine Spur langweilig und, wie schon erwähnt, nicht unbedingt der Hellste sein, aber er war ihr Freund, und sie gedachte, den Abend als pflichtbewusste und treu ergebene Freundin durchzustehen, auch wenn es sie halb umbrachte.
Mit deutlich weniger Aufwand als üblich entschied Adriana sich rasch für einen eng anliegenden, kurzärmligen Wickelpullover aus Kaschmir und kombinierte ihn mit einem extrem figurbetonten Etuirock. Dazu noch Nahtstrümpfe - deren zeitlose erotische Wirkung hatte Mrs. de Souza ihrer Tochter schon als kleinem Mädchen vor Augen gehalten - und ein Paar Pumps mit mittelhohem Absatz.
Sie kam sich vor wie eine Nonne.
»Ich gehe dann!«, rief sie.
Ihre Mutter kam von irgendwoher zum Vorschein und musterte Adrianas Aufmachung mit kundigem Blick, quittierte
sie mit einem fast unmerklichen, zustimmenden Nicken und fragte: »Er holt dich nicht ab?«
»Sein Hotel ist in der Upper East Side und die Party ebenfalls. Er hat mir einen Wagen geschickt.« Adriana bestand nun wirklich eisern auf kavaliersmäßigem Benehmen, aber selbst sie fand es absurd, dass ein Mann sich über achtzig Querstraßen in die Innenstadt quälen sollte, nur um kehrtzumachen und wieder zurückzufahren.
Mrs. de Souza nicht. »Oh«, murmelte sie vage und gab ohne ein weiteres Wort ihre Missbilligung zu verstehen.
»Wartet nicht auf mich.« Adriana schnürte ihren Burberry-Trenchcoat zu - den konservativsten Mantel, den sie besaß - und küsste ihre Mutter auf die Wange.
»Was meinst du, wann du wieder zu Hause bist?«
»Mama …«
Mrs. de Souza hob die Hände. »Schon gut. Ich bitte um Verzeihung. Geh und amüsier dich schön. Es ist nur so, dass dein Vater und ich Mr. Baron gern einmal kennenlernen würden. Nicht wahr, Renato?«
Mr. de Souza blickte von seinem O Globo gerade lange genug auf, um zu nicken, Adriana zu sagen, dass sie zauberhaft aussehe, und ihr einen wunderschönen Abend zu wünschen.
Nachdem sich Adriana möglichen weiteren Fragen durch Flucht entzogen hatte, wartete sie mit angehaltenem Atem auf den Fahrstuhl. Es reichte ihr allmählich. Sie war eine erwachsene Frau, und trotzdem musste sie sich die gleichen elterlichen Verhöre und Einmischungen gefallen lassen wie als Teenager.
Sie trat aus dem Fahrstuhl, so beschäftigt mit ihrem Zorn, dass sie zunächst niemanden in der eleganten marmornen Lobby bemerkte.
»Adi, hier drüben!«, rief eine Stimme.
Adriana drehte sich um und entdeckte Leigh, die in dem winzigen Postkämmerchen neben der Halle einen Stapel Zeitungen sichtete.
»Hi.« Mit einem dramatischen Seufzer gesellte Adriana sich zu ihr.
Leigh sah nicht auf, sondern warf mit Schwung einen Dessouskatalog in den Müll. »Dieser Schund ist die beste Methode, sich scheiße zu fühlen«, sagte sie. »Gilt natürlich nicht für dich, aber für den Rest von uns schon.«
»Jetzt komm, du bist absolut der Hit«, sagte Adriana mechanisch, obwohl Leighs Einschätzung sie freute - und ihre volle Zustimmung fand.
»Wo gehst du heute Abend hin?«
Ein weiterer Seufzer. »Mit Toby zu irgend so einem grässlichen Geschäftsessen. Studiomanager oder Produzenten oder so was, die weiß Gott warum in der Stadt sind.«
»Vielleicht wird’s ja gar nicht so übel. Wo findet es statt?«
»Uptown, in der Bonzengegend.«
Leigh rümpfte die Nase. »Oh. Das ist allerdings ätzend.«
»Und was hast du vor?« Adriana kannte die Antwort bereits, wollte aber trotzdem fragen. Leigh hatte viele wirklich wunderbare Eigenschaften, doch Spaßhaben gehörte nicht dazu.
»Ich?« Leigh blickte auf ihre Flanellpyjamahose und lachte. »Ich habe ein heißes Date mit meinem DVD-Recorder und einem Topf Vanilleeis Light. Schockierend, ich weiß.«
Adriana schüttelte den Kopf. »Und wo steckt dein Bräutigam? Nein, warte, lass mich raten. Er ist irgendwo
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