Ein Ring von Tiffany - Roman
schlimmer noch, sie geschwängert haben mochte, ohne dass sie, Emmy, etwas davon ahnte. Wie war es nur dazu gekommen? Wieso war sie mit fast dreißig plötzlich Single, und Adriana und Leigh - die beide nicht viel darauf zu geben schienen - standen kurz vor der Hochzeit? Es war so ungerecht. Gut, Duncan war vielleicht kein berühmter Regisseur und auch kein TV-Superstarmoderator, aber er war gut zu ihr gewesen, überwiegend jedenfalls. Emmy war nicht blöd; sie wusste, dass er gern flirtete, und sie hatte all seine Beteuerungen, er sei noch nicht bereit, sesshaft zu werden, sehr wohl gehört, aber trotzdem - wer hätte denn so etwas voraussehen können?
Zentimeter um Zentimeter näherte sie sich dem Computer.
Ihr Verstand befahl ihr, den Laptop nicht aufzuklappen, er schrie: Nein! Nein! Nein! Du wirst es bereuen. Schlechte Idee! Schlechte Idee! , und einen Augenblick lang klang es so realistisch, dass sie sich fragte, ob nicht tatsächlich Otis diese Worte kreischte, doch dann war ihr Durchhaltewille erschöpft. Keine fünf Sekunden später flogen ihre Finger über die Tastatur. Zehn Sekunden darauf hatte sie Briannas MySpace-Profil vor der Nase.
Und siebzehn hochauflösende Fotos von Duncan und der Trainerin. Im Urlaub. Im Badekostüm. Ein absolut grandioser Anblick.
Emmy sichtete rasch die Bildergalerie des glücklichen Paars, wie es sich an einem weißen Sandstrand sonnte, in einem offenbar privaten Gartenpool aalte und über Berge von ausgeweideten Krebsscheren und geleerten Cocktailgläsern hinweg selig in die Kamera lächelte. Doch was sie rasend machte, waren die fehlenden Bildunterschriften. Wo waren die zwei gewesen? Und wann? Waren es Flitterwochen ? Sie durchforstete die E-Mails am rechten Bildrand, neckische kleine Botschaften von Briannas Freundinnen, in denen es von Smileys, drei Pünktchen und Ausrufungszeichen nur so wimmelte. Eine dieser stinklangweiligen Nachrichten beinhaltete einen Link zur Website von Kodak
Gallery - und Emmy schwante, dass ihr die wahren Höllenqualen erst noch bevorstanden.
»O Gott, nein«, stöhnte sie laut, bog den Rücken nach hinten durch und starrte argwöhnisch auf den Computer, als könnte er jeden Moment explodieren. Sie wusste, dass sie lieber nicht darauf klicken sollte, aber es führte kein Weg mehr zurück. Sie setzte sich gerade hin, Schultern nach unten, Brust raus, holte tief Luft und ließ den Cursor zu dem Link wandern. Im letzten Augenblick fiel ihr Gott sei Dank noch das gefürchtete Gästebuch ein. Hätte sie auf den Link geklickt, wäre ihr Name dank des automatischen Wiedererkennungsprogramms von Kodak Gallery in Briannas Gästebuch gespeichert worden, mit Datum und Zeitangabe. Ein Albtraum! Erleichtert, dass sie die Katastrophe gerade noch abgewendet hatte, ging Emmy rasch auf die allgemeine Homepage, loggte sich aus und wieder ein, diesmal unter dem Pseudonym und der getürkten E-Mail-Adresse, die sie für solche Schnüffelaktionen im Cyberspace benutzte. Als sie nun auf den Link klickte, begrüßte das Album sie mit: »Willkommen, Lucy! Klick hier, um Bilder von Briannas und Duncans mexikanischem Abenteuer zu sehen.«
Mexikanisches Abenteuer? Also bitte! Sie liegen an einem Scheißstrand und klettern nicht etwa auf den Popocatepetl . Nach einem weiteren tiefen Atemzug, der sie nicht im Geringsten beruhigte, klickte Emmy darauf.
Bevor die Einstellung zu »Diashow« wechselte, erhaschte Emmy einen Blick auf Dutzende, möglicherweise Hunderte daumennagelgroßer Vorschaubilder. Sie wusste, dass das Ganze eine absolute Schnapsidee war - intellektuell gesehen schlicht dumm und für ihr Seelenheil das reine Gift -, aber mittlerweile hatte sie es nicht mehr unter Kontrolle. Die Dias eins bis sechs zischten nur so durch; erst beim siebten hatte Emmy sich so weit im Griff, dass sie die Geschwindigkeit anders einstellen konnte. Das gedrosselte Tempo war ein weiteres halbes Dutzend Aufnahmen lang okay, doch ihr Drang, jeden Quadratzentimeter
jedes einzelnen Fotos zu studieren, unter die Lupe zu nehmen , war stärker als sie, und binnen Sekunden hatte sie die automatische Diashow komplett deaktiviert. Nun konnte sie richtig an die Sache herangehen, in ihrem eigenen Tempo.
Leider Gottes war das erste Dia, das eingefroren auf dem Bildschirm verharrte, offensichtlich von Duncan aufgenommen worden. Es zeigte Brianna, die munter in kniehoher Brandung herumtollte; sie beugte sich vor, wie um den Betrachter nass zu spritzen, und blickte gleichzeitig hoch - eine
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