Ein Ring von Tiffany - Roman
anstelle der langweiligen alten Orientteppiche ausgelegt hatte? Und wenn sie damit überfordert waren, dass sich sämtliche Lampen, Jalousien und elektronischen Geräte nur noch per Fernbedienung steuern ließen? Auch konnte niemand, nicht einmal ihre Eltern, ernsthaft behaupten, dass ihnen die aus importiertem italienischem Marmor per Hand herausgemeißelte Duschwanne und der Whirlpool besser gefielen als die ultramoderne Regendusche, die Sauna und das Dampfbad, die sie im Badezimmer hatte einbauen lassen. Zumindest niemand, der seine sieben Sinne beisammen hatte. Genau aus diesem Grund hatte Adriana sich
so schnell wie möglich umgezogen und das Weite gesucht. Innerhalb von vier kurzen Stunden hatte sich ihr smartes Refugium in eine streitdurchtoste Wohnhölle verwandelt.
Was natürlich nicht heißen sollte, dass sie ihre Eltern nicht liebte. Ihr Vater, der nicht mehr der Jüngste war, behandelte seine Tochter längst nicht mehr so streng wie zu ihren Teenagerzeiten, und es schien ihn auch nicht weiter zu stören, dass seine Frau im Haus die Hosen anhatte. Bis auf zwei Dinge war er wunschlos glücklich: Er war wunschlos glücklich, solange er abends in Frieden eine kubanische Zigarre rauchen durfte und sich seine komplette Kinderschar - drei aus seiner ersten Ehe, zwei aus seiner zweiten und Adriana aus seiner dritten und hoffentlich letzten - in den Wochen vor und nach Weihnachten in der väterlichen Villa in Rio de Janeiro um ihn versammelte. Ganz im Gegensatz zu Adrianas Mutter. Zwar hatte Mrs. de Souza ihrer Tochter deren Sex- und Drogenexperimente im Teenageralter nachsichtig durchgehen lassen, aber, so liberal sie sonst auch war, dass Adriana mit ihren neunundzwanzig Jahren noch immer keinen Mann hatte, konnte und wollte sie nicht tolerieren. Vor allem, da man die Vorlieben dieser Tochter für Sex und Drogen beim besten Willen nicht länger als »experimentell« bezeichnen konnte. Allerdings war Mrs. de Souza als waschechte Brasilianerin durchaus selbst keine Kostverächterin. Essen (fett- und kalorienarm), trinken (teuren Weißwein flaschenweise) und die Liebe (wenn sich beim besten Willen kein Migräneanfall mehr vorschieben ließ) waren ihr Lebenselixier. Diesen Vergnügungen durfte man sich allerdings nur dann hingeben, wenn die äußeren Bedingungen stimmten: erst als ungebundenes junges Ding und dann wieder, wenn man den passenden Ehemann gefunden hatte. In ihren jungen Jahren war sie als Model um die Welt gereist und hatte keine Party ausgelassen. Die Gisele Bündchen ihrer Generation, das sagten die Leute heute noch. Aber Camilla de Souza hatte Adriana immer eingeschärft, dass man von einem Mann
(ein wenig) länger etwas hatte als von der Schönheit. Sie hatte mit fünfundzwanzig einen sagenhaft reichen Mann erobert und ihm ein bildhübsches Töchterchen geschenkt. Und genau so gehörte es sich auch.
Wenn Adriana bloß daran dachte, dass sie sich zwei geschlagene Wochen lang die Gardinenpredigten ihrer Mutter anhören sollte, schwirrte ihr jetzt schon der Kopf. Sie streckte sich auf dem leicht durchgesessenen Sofa in der Lobby aus und legte sich einen Schlachtplan zurecht. Sie musste sich tagsüber irgendwie beschäftigen, abends so spät wie möglich oder gar nicht nach Hause kommen und ihre Eltern bei jeder sich bietenden Gelegenheit davon überzeugen, dass sie den Löwenanteil ihrer Energie - wie auch ihres beträchtlichen Treuhandvermögens - in die Suche nach einem passenden Ehemann investierte. Wenn sie es geschickt genug anstellte, müssten sie nie etwas von dem abgerissenen britischen Rocker erfahren, der in einer billigen Absteige im East Village hauste, oder von dem scharfen Chirurgen mit der Frau und den zwei Kindern, der in Manhattan praktizierte. Und auch der schnuckelige Israeli, der angeblich in der israelischen Botschaft am Schreibtisch hockte, aber in Wahrheit, davon war Adriana überzeugt, für den israelischen Geheimdienst Mossad arbeitete, könnte ihr kleines Geheimnis bleiben.
Leighs rauchige Stimme - eines ihrer wenigen sexy Attribute, wie Adriana ständig ihren tauben Ohren predigte - riss sie aus ihren Gedanken. »Wow.« Leigh machte große Augen. »Was für ein Wahnsinnskleid.«
»Danke, querida . Meine Eltern sind in der Stadt, und ich musste ihnen weismachen, dass ich ein Date mit einem argentinischen Geschäftsmann habe. Mama war darüber so entzückt, dass sie mir eines von ihren Valentino-Modellen geliehen hat.« Adriana strich ihr kleines Schwarzes glatt und drehte
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