Ein Ring von Tiffany - Roman
fuhr Tobias Adriana an.
Gilles plapperte nervös los. »Es tut mir so leid, Mr. Baron, aber ich kann Ihnen versichern, dass eine solche Störung nicht wieder …«
Tobias unterbrach ihn mit einer gereizten Handbewegung, ohne Adriana aus den Augen zu lassen. »Wer sind Sie?«
Er starrte sie an, und sie starrte zurück. Der stumme visuelle Ringkampf dauerte geschlagene dreißig Sekunden. Adriana bewunderte sein Durchhaltevermögen; die meisten Männer wurden schnell zappelig, wenn sie die Schweigende, Trotzige gab. Außerdem gefiel ihr sein kompakter Körperbau. Obwohl er nur um die eins achtzig groß war, wirkte er in seinem eng
anliegenden T-Shirt wie ein Bär von einem Mann. Soweit sie es beurteilen konnte, waren an ihm sowohl die Sonnenbräune als auch das volle dunkle Haar echt und kamen nicht aus der Tube. Sie standen so dicht voreinander, dass sie ihn sogar riechen konnte, und auch daran war nichts auszusetzen: eine angenehme Mischung aus Weichspüler und einem dezent-maskulinen Rasierwasser.
Sie machte keine Anstalten, sich zu entschuldigen, sondern beantwortete stattdessen einfach seine Frage: »Ich heiße Adriana de Souza.«
»Na, dann ist mir alles klar.«
»Wie bitte?« Und dann kam ihr die Erleuchtung. Womöglich kannte er ihre Mutter und war deshalb nicht weiter verwundert über ihr divenhaftes Auftreten. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand aus der Entertainmentbranche Adrianas berühmten Namen und ihr fantastisches Aussehen zusammengepuzzelt hatte.
»Jetzt ist mir klar, warum eine junge Frau wie Sie einen Klingelton von João Gilberto auf dem Handy hat. Sind Sie aus Rio?«
»Saõ Paulo«, schnurrte Adriana. »Ich wäre nie darauf gekommen, dass Sie Brasilianer sind.«
»Nein? Woran das wohl liegen mag? An meinem Namen oder an meiner Nase?« Nun lächelte er endlich. »Man muss kein Brasilianer sein, um einen Bossa Nova zu erkennen.«
»Pardon, aber ich glaube, Sie haben sich noch nicht vorgestellt. Sie sind wer?«, fragte Adriana mit einem sanften Unschuldsblick. Aus jahrelanger Erfahrung wusste sie, dass man die Kerle, die am meisten von sich eingenommen waren, nur wie den letzten Dreck behandeln musste, und schon fraßen sie einem für immer aus der Hand.
Sein Lächeln verschwand, doch dann fing er an, bis über beide Ohren zu grinsen. Klasse, eine ebenbürtige Gegenspielerin. Und obwohl er sie nicht sofort nach ihrer Telefonnummer
fragte, wusste Adriana, dass Tobias sich über kurz oder lang bei ihr melden würde.
»Warum so still?«, fragte Russell, während er den Wagen im Parkhaustempo stadtauswärts kutschierte. Daran, dass der Verkehr noch schlimmer war als sonst, war er nicht ganz unschuldig, denn er hatte sich standhaft geweigert, auch nur eine der drei berüchtigten Staugefahren zu vermeiden: Rushhour, Rushhour an einem Freitag, Rushhour an einem Freitag im Sommer.
Leigh seufzte. Nur noch drei Tage bis zu ihrem heiligen menschenfreien Montag. »Bloß die übliche Panik.«
»So schlimm sind sie doch gar nicht, Darling. Ich verstehe wirklich nicht ganz, warum es dir jedes Mal so vor ihnen graut.«
»Vermutlich, weil du sie, wenn es hoch kommt, erst fünfmal in deinem Leben gesehen hast, und weil sie wissen, wie man einen guten Eindruck macht. Erst wenn du sie näher kennst und ihnen vertraust, fangen sie damit an, an deinem Selbstwertgefühl zu sägen. Und dann heißt es: in Deckung gehen.« Wütend darüber, dass er ihre Eltern in Schutz nahm, suchte sie auf ihrem iPod, bis sie »Waiting on the World to Change« von John Mayer gefunden hatte, und drehte die Lautstärke bis zum Anschlag auf.
Sie saßen in Russells neuem Range Rover, den sie nicht ausstehen konnte. Als er sie vor ein paar Monaten gefragt hatte, welche Automarke sie am liebsten mochte, hatte sie nur mit den Schultern gezuckt.
»Das ist ja gerade das Schöne, wenn man in New York wohnt, dass man kein Auto braucht.«
»Aber ich möchte doch mit dir romantisch ins Wochenende fahren, Baby. Wir kämen viel mehr herum. Außerdem zahlt mir der Sender die Garage. Also, hast du eine Lieblingsmarke?«
»Eigentlich nicht.«
»Nun komm schon, Leigh. Wir werden in dem Wagen oft zusammen unterwegs sein. Du musst doch eine Meinung dazu haben.«
»Ach, ich weiß nicht. Am liebsten mag ich die blauen.« Sie wusste, dass sie sich unmöglich aufführte, aber es war ihr egal. Russell würde ihr so oder so über Autos die Ohren vollschwärmen, und sie hatte keine Lust, sich da mit hineinziehen zu lassen.
»Die
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