Ein Ring von Tiffany - Roman
blauen??? Nun sei doch nicht so zickig.«
Weil sie sich freute, dass er ihr, was selten genug der Fall war, endlich einmal Kontra gab, kam sie ihm ein kleines bisschen entgegen. »Henry fährt einen blauen Prius und ist begeistert davon. Er sagt, er ist wahnsinnig sparsam im Verbrauch. Irgendwer hat erzählt, der Hybrid-Esprit wäre gut. Ein Geländewagen, der nicht wie ein Panzer aussieht.«
»Ein Hybridfahrzeug ?«
»Schon gut. Es muss ja kein Hybrid sein. Ich mag auch den Nissan mit den Kurven. Wie heißt er noch gleich? Mural?«
»Murano. Ist das dein Ernst?«
»Ich hab dir ja gesagt, dass es mich nicht interessiert, aber du wolltest unbedingt meine Meinung hören. Kauf einfach das Modell, das dir am besten gefällt.«
Darauf folgte ein ewig langer Monolog über die unendlich vielen Vorzüge eines Range Rovers. Er ließ kein Detail aus: das Innere, das Äußere, die Leistung, der Exklusivitätsfaktor, das tolle Fahrverhalten bei schlechtem Wetter. (Natürlich kein Wort über den hohen Verbrauch und die Schwierigkeit, in New York eine Vertragswerkstatt für englische Autos zu finden, aber Leigh ließ es auf sich beruhen.) Wenn Russell einmal sein Vorder-Kamera-Ich angeknipst hatte, war er nicht mehr zu stoppen. Die Baritonstimme lebhaft, aber beherrscht, der Blick ruhig, die Haltung perfekt. Genau das, was ihm im Fernsehen seine charismatische Wirkung verlieh, machte ihn für sie, wenn sie mit ihm allein war, so schwer erträglich. Sie fragte sich, was wohl seine
vielen weiblichen Fans, die ihn mit E-Mails eindeckten und ihm verführerische Fotos schickten, denken würden, wenn sie diesen Russell erleben könnten: attraktiv wie immer, das schon, aber darüber hinaus auch selbstgefällig und sterbenslangweilig.
Nach einer schier unendlichen Geschichte über das Engagement eines Basketballspielers für das Militär war Leigh fast erleichtert, als sie vor ihrem Elternhaus vorfuhren. Als ihr Vater das Haus in den 1980er Jahren von seiner Mutter geerbt hatte, rissen sich Leighs Eltern schweren Herzens von Manhattan los und zogen aufs Land. Da ihr Vater gerade als Nachwuchslektor bei einem Verlag angefangen hatte und ihre Mutter eben erst mit dem Jurastudium fertig geworden war, konnten sie sich die Chance, miet- und hypothekenfrei zu wohnen, nicht entgehen lassen. Leigh war in dem großen, alten Haus aufgewachsen. Ihre Kindheit hatte sie mit Fangenspielen im Wald und ihre Teenagerzeit mit Geburtstagspartys am Pool verbracht und ihre Unschuld im kühlen, dunklen Keller an einen Jungen verloren, dessen Namen sie noch wusste, aber dessen Gesichtszüge im Laufe der Jahre verblasst waren. Trotz all dieser Erinnerungen fühlte sie sich dort seit Jahren nicht mehr zu Hause.
Leigh tippte den Code für den Türöffner in das Kästchen neben der Garage ein (1-2-3-4) und ging schon einmal voraus zum Haus. Einerseits war sie enttäuscht, dass ihre Mutter nicht sofort herausgelaufen kam, um unter Tränen der Rührung den Verlobungsring zu bewundern und ihre einzige Tochter und ihren zukünftigen Schwiegersohn abzuküssen, andererseits wäre sie bei einer solchen Szene mit Sicherheit vor Verlegenheit gestorben. Mrs. Eisner war, ähnlich wie ihre Tochter, nicht gerade der sentimentale, überschwängliche Typ.
»Mum? Dad? Wir sind da!« Nachdem auch Russell hereingekommen war, gingen sie durch die elegant gestylte Diele, in der schon lange keine lehmverschmierten Gummistiefel mehr herumstanden, bis zur Küche durch. »Wo steckt ihr denn?«
»Komme schon!«, rief Leighs Mutter aus dem Wohnzimmer.
Im nächsten Augenblick stand sie vor ihnen, eine sportlich schicke Erscheinung im unvermeidlichen Polohemd plus khakifarbener Caprihose und Wildledermokassins.
»Leigh! Russell. Herzlichen Glückwunsch. Ach, ich freue mich ja so für euch.« Sie umarmte ihre Tochter und reckte sich zu Russell hoch, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. »Kommt, setzt euch. Ich muss mir unbedingt in aller Ruhe den Ring ansehen. Kaum zu glauben, dass ihr mich auf diesen Moment zwölf Tage habt warten lassen.«
Passiv-aggressiver Kommentar Nummer eins , dachte Leigh. Jetzt geht’s los.
»Leider konnte ich nicht warten, bis Sie und Mr. Eisner aus dem Urlaub zurück waren. Ich wollte ihr doch den Antrag unbedingt an unserem Jahrestag machen.«
Leighs Eltern waren erst am späten Vorabend von ihrer alljährlichen, dreiwöchigen Europatour zurückgekommen und hatten das glückliche Paar sofort zum Essen eingeladen.
»Ich bitte Sie.« Ihre
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