Ein Ring von Tiffany - Roman
Nachricht ganz ermessen konnte, hatte sie klar und deutlich verstanden. Ihr Vater machte ein Gesicht, als ob jemand seinen Bauch als Punchingball missbraucht hätte. »Jesse Chapman? Der Jesse Chapman?«
Leigh nickte stumm. Sie wollte nichts sagen, was so klang, als wollte sie sich mit ihrem Erfolg brüsten.
Er fing sich rasch wieder und erhob sein Weinglas, um auf sie zu trinken. Aber Leigh sah das ungläubige Staunen in seinen Augen. Sie wusste genau, was er dachte: Sie musste etwas falsch verstanden haben. Es war unvorstellbar, dass seine Tochter, dieses unbeschriebene Blatt, einen Autor betreuen sollte, wie ihm während seiner ganzen glanzvollen Karriere keiner untergekommen
war. Leigh hatte - fast - Mitleid mit ihm, denn sie erlebte zum allerersten Mal, dass es ihrem Vater, dem großen Wortschmied und Verlagsguru, Richter und Geschworenen in einer Person, die Sprache verschlug.
Wenn sie erst mal drin sind, sind sie auch echt
Während das restliche Amerika das lange Feiertagswochenende mit Feuerwerken und Grillpartys am Pool beging, hockte Emmy mit ihren Freundinnen am Flughafen von Curaçao auf dem Boden und überlegte verzweifelt, wie ihr Urlaubsbeginn bloß dermaßen in die Hose hatte gehen können. Dass man ihr die Sonnenbrille vom Kopf klaute, bekam sie nicht einmal mehr mit. Die Diebe - zwei langhaarige Teenager mit Streuselkuchengesichtern - hielten mit ihrem schrottreifen Pick-up ein paar hundert Meter weiter an, lehnten sich aus dem Fenster, winkten ihr mit der Brille und verhöhnten sie lautstark in einer Sprache, die sie nicht kannte. Verunsichert fasste Emmy sich ins Haar. Tatsächlich, ihre Brille war weg.
»Was brüllen die Kids denn da?«, fragte Adriana verwundert. »Wollen sie uns die Sonnenbrille verkaufen?«
Emmy verzichtete darauf, ihr zu antworten. Es wäre viel zu anstrengend gewesen. Die Zunge klebte ihr wie ein unnützer Lappen im Mund. Eigentlich hätte es nicht allzu schwierig sein dürfen, Adriana zu erklären, dass die geschwenkte Sonnenbrille ihr gehörte, aber sie brachte beim besten Willen keinen Ton heraus.
Leigh hatte offenbar auch nichts mitbekommen. »Sag ihnen, du brauchst keine Sonnenbrille, du hast dir gerade erst eine gekauft«, lallte sie.
»Aber ich brauche tatsächlich eine«, krächzte Emmy. Sie wedelte mit lascher Hand in Richtung der Jugendlichen, die im selben Moment Gas gaben und auf die Flughafenausfahrt
zusteuerten. »Hilfe.« Sie hörte sich an wie Rose aus dem Titanic -Film, halb erfroren und fast bewusstlos auf ihrem Floß im Atlantik. Immerhin ein kleiner Vorteil: weder froren sie, noch trieben sie im Wasser.
»Los, Mädels. Reißt euch zusammen. Das hier ist ein Urlaub, eine Vergnügungsreise, keine Beerdigung«, sagte Adriana mit schwerer Zunge.
Der »Urlaub« war um einiges weniger vergnüglich als die letzte Trauerfeier, die Emmy besucht hatte - von der Qualität des Essens ganz zu schweigen. Aber sie sagte nichts. Schließlich hatten sie den Karibiktrip unternommen, um Leighs Verlobung zu feiern, und sie hatte beileibe nicht die Absicht, sich und den anderen den Spaß zu verderben. Auch wenn sich die ganze Unternehmung schon zum Albtraum entwickelt hatte, bevor sie richtig losgegangen war. Die beste Freundin verlobt sich (hoffentlich) nur einmal im Leben (aber bei Leigh konnte man sich da sicher sein). Jedenfalls würde Emmy ihr zuliebe einen draufmachen, auch wenn es sie umbrachte - was wahrhaftig nicht auszuschließen war.
Bis jetzt war es ihr ganz gut gelungen, nicht allzu viel über die Ironie des Schicksals und ihrer Situation nachzudenken, aber betrunken und zugedröhnt auf einem karibischen Flugplatz zu sitzen und sich von irgendwelchen Pickelgesichtern beklauen zu lassen, brachte sie nun doch ins Grübeln. Ihr Exfreund hatte die Reise aus Anlass ihres fünften Jahrestags gebucht und ihr die Tickets, nachdem er sie wegen der jungfräulichen Cheerleaderin abserviert hatte, als eine Art Trostpreis hinterlassen. Emmys Bauchgefühl hatte ihr geraten, sich einen letzten Rest an Würde zu bewahren und ihm zu sagen, er könne sie kreuzweise und ihr im Mondschein begegnen, aber da die Reise nun schon mal bezahlt war und sie bei ihrem stressigen neuen Job ein bisschen Erholung gebrauchen konnte... Außerdem würde Duncan vielleicht denken, dass sie mit einem neuen Lover hinflog. Das war es ihr wert.
»Ehrlich, Em. Ich finde, du solltest fahren. Es ist alles arrangiert. Und es wird dir sicher gut tun«, sagte Duncan, als er eine Woche nach ihrer
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