Ein Sarg für zwei
er zurechtkommen musste. Aber jetzt war
ich überzeugt, dass er mit den Monstern in seinem Inneren ebenso klarkommen
wollte wie ich mit meinen. Wir waren wirklich ein richtiges Paar.
Claire räusperte
sich, und mein Blick zuckte zu ihr.
»Entschuldigt,
wenn ich störe.« Ihre Miene wirkte finster. »Aber da ist etwas, das ihr euch
ansehen solltet.«
Sie führte
uns durchs Wohnzimmer in den dahinterliegenden Flur, eine kleine Treppe hinauf
und schließlich in ein riesiges, luxuriös ausgestattetes Schlafzimmer mit einem
breiten Himmelbett. In dem Raum brannten Dutzende von Kerzen, und der Geruch
von schwerem Parfüm hing in der Luft.
Stacy lag
auf den Seidenlaken ihres Bettes. Sie trug schwarze Spitzendessous und
hochhackige Pumps. Sie war offensichtlich eingeschlafen und wirkte wie ein
makabres Dornröschen. Ihre blonden Haare waren wie ein Fächer auf dem schwarzen
Seidenkopfkissen ausgebreitet.
Plötzlich
dämmerte es mir. Sie schlief nicht. Ich holte tief Luft, obwohl ich eigentlich
ja gar nicht mehr atmen musste.
Stacys Augen
standen offen, und sie starrte an die Decke.
Sie waren
glasig und ziemlich tot.
Der silberne
Griff eines Dolches ragte aus ihrer Brust, und ich fasste mir in Erinnerung an
meine eigene Stichwunde an die Brust. Wenigstens war ich von meiner Verletzung
genesen.
Stacy
dagegen würde sich nicht mehr erholen.
Ich hörte
jemanden schluchzen und merkte, dass ich es selbst war. Thierry nahm mich in
die Arme und hielt mich fest.
»Wir finden
eine andere Lösung«, beruhigte er mich sanft.
»Jemand hat
sie umgebracht«, sagte ich laut. Es klang gar nicht wie meine Stimme. Sie war
zittrig und gebrochen. »Wer hat sie umgebracht?«
In
Anbetracht ihrer letzten Aktivitäten in Sachen schwarzer Magie lag die Vermutung
nahe, dass die Liste ihrer Todfeinde ziemlich lang war. Aber wenn ich mir die
romantische Ausstattung des Zimmers ansah, von den Kerzen bis zu ihrer
Reizwäsche, hätte ich gewettet, dass ihr neuer Freund der Mörder war.
»Ich spüre
kein Anzeichen dafür, dass der Mörder noch hier wäre.« Claire hatte die Augen
geschlossen und die Arme zur Seite ausgestreckt. »Wer auch immer es war, er
ist, wenige Minuten bevor wir eingetroffen sind, geflüchtet.«
Ich löste
mich von Thierry und blickte hinunter auf Stacys Gesicht. Es war immer noch von
dieser kühlen Schönheit wie neulich Abend im Park. Ich suchte nach einer
mitleidigen Regung in mir, denn es war eine teuflische Art abzutreten;
umgebracht von jemandem, von dem man dachte, er würde einen lieben, aber alles,
was ich empfand war...
Gar nichts.
In mir herrschte eine große emotionale Leere. Wie ein schwarzes Loch, das meine
Gefühle zu verschlingen schien. Ich war weder aufgeregt, noch hatte ich Angst
oder war verzweifelt. In dem Moment, in dem ich entdeckte, dass jemand Stacys
Leben ein Ende gesetzt hatte, fühlte ich schlichtweg nichts.
Ich
erinnerte mich an etwas, das sie mir gestern Abend gesagt hatte, im
Zusammenhang mit den drei Tagen Frist, die einem blieben, um den Fluch wieder
aufzuheben.
»Es ist
vorbei.« Ich schluckte heftig. »Sie hat mir erklärt, dass der Fluch für immer
bleibt, wenn sie stirbt.«
»Sag so was
nicht!«, widersprach Claire, die gerade in dem Bücherregal neben dem Bett
wühlte. »Seht nur, hier sind all ihre Zauberbücher. Die nehme ich heute Abend
mit nach Hause nach Niagara Falls und arbeite sie durch. Wenn ich eine
Möglichkeit finde, wie ich dir helfen kann, melde ich mich sofort, okay?«
Ich nickte
unbeteiligt. Ich war zu fassungslos, um wirklich Zuversicht empfinden zu
können. »Okay. Wenn du meinst.«
Thierry
drehte mich sanft vom Bett weg, damit ich aufhörte, die tote Hexe anzustarren.
»Sarah,
bitte sei stark. Wir sind noch nicht am Ende.«
»Es fühlt
sich nur so an, stimmt’s?«
Er nahm mein
Gesicht in seine Hände und zwang mich, ihn anzusehen. »Sarah, bitte. Gib die
Hoffnung nicht auf. Hoffnung ist manchmal alles, was wir haben.«
»Seit wann
bist du ein solcher Optimist geworden?«
»Seit
ungefähr zehn Wochen.«
Ich lächelte
ihn zaghaft an. »Ich bin müde. Ich weiß, ich bin erst seit ein paar Stunden wach,
aber ich glaube, ich möchte heute Nacht in meinem eigenen Bett schlafen. Morgen
ist noch genug Zeit, über alles nachzudenken.«
Er nickte.
»Vielleicht ist es das Beste. Gehen wir. Ich werde die Behörden informieren,
wenn ich wieder im Haven bin.«
Also gingen
wir und schlossen die Tür hinter meiner Hoffnung, dass der Fluch heute Nacht
aufgehoben
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