Ein Sarg für zwei
Aprikosenfüllung.
Ich hatte
vorher nicht bemerkt, dass sie zu den glücklichen Vampiren gehörte, die noch
feste Nahrung zu sich nehmen konnten, und das in ihrem hohen Alter. Diese
Fähigkeit schien von einem biologischen Lotteriesystem verteilt zu werden, und
Veronique hatte den Hauptgewinn gezogen. Unvorstellbar!
»Barry hat
mir einiges von deiner unglücklichen Lage erzählt«, sagte sie. »Wie kommst du
damit zurecht?«
»Es geht mir
schon viel besser.« Ich beschloss, ihr die Neuigkeit über die Goldkette nicht
zu verraten.
»Ich kann
mich noch an die Zeiten erinnern, als die Nachtwandler die Erde bevölkert
haben. Das war eine andere Epoche.«
»Sie wurden
schließlich alle vernichtet.«
»Das
stimmt.«
»Weil
Thierry die Jäger mit Informationen versorgt hat.«
Veronique
musterte mich einen Augenblick. »Das stimmt auch. Jedenfalls zum Teil. Zu jener
Zeit war ich mit seiner Entscheidung keineswegs einverstanden. Obwohl die
Nachtwandler bösartige Kreaturen waren, denen der Rest von uns bis heute seinen
schlechten Ruf verdankt, fand ich es nicht richtig. Ich habe ihm sogar
vorgeworfen, ein Verräter an seiner eigenen Spezies zu sein. Doch ich habe
meine Meinung im Lauf der Zeit geändert.«
»Wieso?«
»Mit einem
Nachtwandler kann man nicht vernünftig reden. Ich bin selbst einmal einem
Nachtwandler beinahe zum Opfer gefallen.« Sie berührte abwesend ihren Hals, und
ihre Miene verfinsterte sich. »Diese Kreatur war ausgesprochen gut aussehend
und sehr charmant, jedenfalls, bis wir allein waren. Er fesselte mich, obwohl
ich ihn angefleht habe, mich freizulassen, und hat mir beinahe den Hals
aufgerissen.«
Ich hatte
das Gefühl, als würde mir der Magen bis in die Kniekehlen rutschen. »O mein
Gott, das ist ja furchtbar. Wie bist du da herausgekommen?«
»Der Rote
Teufel hat mich gerettet.«
Offenbar
habe ich sie ziemlich verdutzt angeglotzt, denn sie lächelte nachsichtig. »Ja«,
sagte sie. »Ich habe gehört, dass du kürzlich auch mit ihm Bekanntschaft
gemacht hast. Dass er nach so vielen Jahren wieder aufgetaucht ist, ist
wirklich wundervoll.«
Ich erzählte
ihr nichts von Thierrys Theorie, dass er nur ein Betrüger war. Stattdessen
trank ich einen Schluck von dem heißen Kaffee vor mir. »Der Rote Teufel hat
dich also gerettet«, sagte ich dann.
Sie nickte
bedeutungsvoll. »Wenn er nicht gekommen wäre, würde ich jetzt nicht hier
sitzen. Ich kann mich noch so lebhaft an den Abend erinnern, als wäre es erst
gestern geschehen.« Sie seufzte und schüttelte sich sichtlich. »Er war einfach
unglaublich. So groß, so attraktiv, so ... männlich.«
»So
attraktiv?«, wiederholte ich. »Hast du denn sein Gesicht gesehen?«
Das
verwirrte sie etwas. »Nein, eigentlich nicht. Er trug eine Maske. Natürlich
eine rote Maske. Aber ich habe keinen Zweifel, dass sich dahinter der
attraktivste Mann der Welt verbarg.« Sie schob gedankenverloren das Croissant
auf dem Teller hin und her, biss aber nicht davon ab. »Ich werde niemals
vergessen, dass er mir das Leben gerettet hat. Er war damals so überwältigt von
mir, dass er mich gefragt hat, ob wir ein Liebespaar sein könnten, doch ich
habe abgelehnt. Manchmal frage ich mich, wie es wohl wäre, einen so charmanten
und wunderbaren Mann zu haben.«
Ich fragte
mich, was mit der Maske passiert war. Mein Roter Teufel hatte schließlich nur
einen Schal über dem Gesicht getragen. »Er hat mir ebenfalls das Leben
gerettet.«
»Ja, das
habe ich gehört.«
»Von Barry.«
Sie nickte.
»Barry hat mir eine Menge interessanter Dinge über dich erzählt, meine Liebe.«
Ich spannte
den Kiefer an. »Ja, daran habe ich keinen Zweifel.«
Sie musterte
mich. »Er hat mir zum Beispiel erzählt, dass du sehr in meinen Mann verliebt
bist.«
Das
überraschte mich. Das hatte Barry ihr erzählt? Ich fragte mich, wo der Haken
war.
»Das
stimmt«, erwiderte ich schlicht. »Ich liebe ihn. Es tut mir leid, wenn dich das
verletzt.«
Sie
lächelte. »Wieso sollte mich das verletzen?«
»Nun,
immerhin bist du mit ihm verheiratet.«
Sie winkte
beiläufig ab. »Du bist nicht die erste Frau, die sich in meinen Mann verliebt,
und ich bin sicher, du wirst auch nicht die letzte sein. Von seiner kühlen
Ausstrahlung fühlen sich genauso viele Frauen angezogen wie abgestoßen. Er hält
es für einen Verteidigungsmechanismus, mit dem er andere um ihrer eigenen
Sicherheit willen von sich fernhält. Doch Leute, die keinen großen
Selbsterhaltungstrieb besitzen und unvernünftig
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