Ein Sarg für zwei
das
hier nicht richtig. Ich konnte das nicht. Ich konnte nicht kaltblütig jemanden
ermorden.
Es musste ein Trick sein. Er sah mich mit seinen grünen Augen an, und seine Brust hob und
senkte sich unter seinen ruhigen Atemzügen. Ich erwartete, dass er mich packte,
den Spieß umdrehte und mir gleich den silbernen Dolch in die Brust rammte. Aber
er machte keine Anstalten, sich zu bewegen, als ich die scharfe Spitze der Klinge
auf seine Haut aufsetzte.
Ich
blinzelte und spürte, wie mir die Tränen über die Wangen liefen.
Gideon hob
eine Braue. »Irgendwelche Probleme?«
»Verdammt«,
sagte ich leise und dann lauter. »Verdammt!«
Ich warf das
Messer weg. Es klapperte über den Boden. Das Geräusch hallte von den Mauern der
leeren Fabrik wider.
Gideon sah
mit gerunzelter Stirn zu mir hoch. »Ich kenne einen Haufen Leute, die mich
liebend gern umgebracht hätten.«
Ich seufzte
und erschauderte. »Mag sein. Aber zu diesem Club gehöre ich halt nicht.«
»Sag nicht,
dass ich dir nicht die Chance gegeben habe.«
»Du kannst
mich mal.«
»Süß.« Er
grinste mich zynisch an und stand auf.
Ich suchte
meine Umgebung nach einem Ausgang ab, aber es war so dunkel, dass ich nicht
einmal die Wände erkennen konnte. Ich saß in der Falle und hatte ziemliche
Angst. »Ich werde erwartet. Weil du offensichtlich nicht vorhast, mich zu
töten, nehme ich an, dass ich jetzt gehen kann. Mit meiner Kette?«
»Noch
nicht.« Seine Belustigung verschwand, und er musterte mich kalt. »Ich will
etwas von dir, Sarah. Du hast etwas ganz Besonderes an dir.«
Ich
verschränkte fest die Arme vor der Brust. »Meine strahlende Persönlichkeit?«
»Noch etwas
anderes.«
Ich atmete
zitternd aus. »Diese Nachtwandlersache? Ja, ein Nachtwandler stellt sicher eine
interessantere Beute dar als ein normaler Vampir. Du hast das ursprüngliche
Massaker damals verpasst, nicht? Nun, tut mir leid, dir das sagen zu müssen,
aber es ist nur ein Fluch, wenn auch ein permanenter.«
»Weil die
Hexe tot ist.«
»Woher weißt
du das überhaupt?« Aber ich kannte die Antwort bereits, bevor er sie aussprach.
»Weil ich
sie getötet habe«, erklärte er gleichgültig.
Ich holte
Luft und versuchte, ruhig zu bleiben, während ich abermals Stacy vor mir auf
dem Bett liegen sah, aus deren in Spitze gehüllter Brust das Messer ragte. »Sie
sollte versuchen, mich mit ihren magischen Kräften zu heilen. Sie konnte den
Schmerz aber nur für sehr kurze Zeit lindern. Sie hat versagt, und deshalb
musste sie bestraft werden.«
Mir war
schlecht. Mein Magen brannte. Gideon war der Mann, in den Stacy sich verliebt
hatte. Er war der Grund, warum sie beschlossen hatte, mit der schwarzen Magie
aufzuhören und zur »Heilerin« zu werden.
Er hatte sie
umgebracht und damit auch meine Chancen vernichtet, den Fluch wieder loszuwerden.
Gideon
ignorierte meinen entsetzten Gesichtsausdruck und fuhr fort. »Dass du ein
Nachtwandler bist, wenn auch nur durch einen Fluch, hat nichts damit zu tun. Es
geht mir vielmehr um dein spezielles Blut.«
»Mein
Blut?«, wiederholte ich schaudernd.
»Zwei
Meistervampire haben dich von ihrem Blut trinken lassen. Das hat deine innere
Verfassung verändert. Meistervampire teilen ihr Blut nicht mit irgendjemandem,
und wenn doch, dann ausschließlich mit einem auserwählten Zögling. Es kommt
sehr selten vor, dass mehrere Meister einem Zögling ihr Blut geben. Eigentlich
ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass sie das nicht tun.«
Ich
schüttelte den Kopf. »Dass das einen Unterschied machen würde, ist nur ein
Gerücht.«
»Das ist
kein Gerücht. Es ist eine Tatsache. Ich bin jedoch nicht sicher, ob zwei
Meister ausreichen.« Er runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht ohne Grund, dass
mich dein Blut gesund machen kann. Dass es mich heilen kann.«
Das
überraschte mich. Ich befeuchtete die Lippen. »Heilen ... deine Narben heilen
meinst du?«
»Genau. Aber
dieses Höllenfeuer brennt zusätzlich weiter in mir und verursacht fortwährend
Schäden. Es dauert nicht lange, bis es mich von innen komplett aufgefressen
hat, und wenn ich sterbe, wird die Hölle höchstpersönlich Anspruch auf meinen
Körper und meine Seele erheben.« Er biss die Zähne aufeinander. »Aber ich
glaube, dass dein Blut die Kraft hat, all meine Gebrechen zu heilen und mich
mächtiger zu machen, als ich vorher gewesen bin.«
Nachdem ich
die komplette Diagnose vernommen hatte, fiel meine Temperatur noch weiter in
den Keller. »Glaubst du.«
»Vor vielen,
vielen Jahren hat
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