Ein Sarg für zwei
saß auf
einem Stuhl neben mir.
»Was ... was
zum Teufel geht hier vor?«, stieß ich hervor. »Wo bin ich?« Ich hatte einen
Geschmack im Mund, als hätte ich auf verschimmelten Wattebällchen herumgekaut.
Hoffentlich hatte ich das nicht wirklich getan. Mit einem Blick überzeugte ich
mich, dass meine Hände nicht gefesselt waren. Auch das war gut. In meiner Lage
klammerte ich mich an jeden einigermaßen positiven Strohhalm.
»Wir
befinden uns in einer stillgelegten Fabrik ganz in der Nähe des Vampirclubs
deines Freundes«, erklärte er.
Ich musste
ihn wohl ziemlich schockiert angesehen haben, denn er fuhr fort: »Ja, natürlich
weiß ich, wo das Haven ist. Es überrascht mich immer wieder, dass die Leute
mich unterschätzen. Es gibt genügend Mittel und Wege, alles herauszufinden, was
man erfahren will, Sarah. Über alles und jeden.«
Er stand
auf. Verdammt, war er groß. Es würde mich nicht wundern, wenn das knapp zwei
Meter wären. So schnell ich konnte, stand ich ebenfalls auf und blickte mich
hektisch in meiner Umgebung um. Alles war dunkel und unbekannt. Wir befanden
uns in einer riesigen Halle. Über uns brannte eine einzige mickrige Glühbirne
und erleuchtete eine ungefähr drei mal drei Meter große Fläche.
Ich sah
Gideon schweigend an. Sein Gesicht war eindeutig gruselig; es sah aus wie ein
roher Hamburger. Er hatte also einen Dämon abgeschlachtet? Dabei war ein Casino
abgebrannt, und alle Menschen darin waren gestorben. Er hatte zugelassen, dass
seine Beerdigung stattfand, und niemandem gesagt, dass er noch lebte. War er
total durchgeknallt?
Mein starrer
Blick ließ ihn ein bisschen zusammenzucken, und er betastete unwillkürlich die
verletzte Gesichtshälfte. »Eine Hexe hat so gut sie konnte versucht, mich zu
heilen, aber der Schaden war bereits geschehen. Verbrennungen von Höllenfeuer
können nicht so einfach mit einem simplen Zauberspruch geheilt werden.«
Ich
schluckte heftig. »Tut das weh?«
»Seit ich
das habe, leide ich ständig unter Schmerzen. Das ist der unglückliche
Nebeneffekt einer solchen Verletzung.«
Ich schob
mein Mitgefühl beiseite. Hier stand kein armer Kerl vor mir, der ungerecht
behandelt worden war. Sondern der Anführer der Vampirjäger. Dieser Kerl war ein
Massenmörder. Ein glorifizierter Serienkiller.
»Wirst du
mich umbringen?« Ich hasste mich dafür, dass ich die Frage überhaupt stellte,
weil ich die Antwort eigentlich gar nicht hören wollte. Aber ich musste es
einfach wissen.
»Dich
umbringen?« Er verzog die Lippen zu einem Lächeln. »Wieso? Sollte ich das
vielleicht tun?«
»Darauf
möchte ich mit einem klaren ›Nein‹ antworten.«
»Du bist die
Schlächterin der Schlächter, richtig? Ich höre jetzt schon seit Wochen etliche
interessante Dinge über dich, Sarah. Es gibt Jäger unter uns, die beinahe
panische Angst vor dir haben.«
»Ich kann
ziemlich gruselig sein, wenn ich will.«
»Ich hatte
tatsächlich vor, dich umzubringen«, erklärte er. »Ich habe mir verschiedene
Szenarien ausgemalt. Ich dachte, dass du als Beute eine interessante
Abwechslung darstellen könntest. Weißt du eigentlich, wie einfach es ist, einen
Vampir zu töten?«
Meine Hände
zitterten, und ich verschränkte sie, damit er es nicht merkte. »Ich habe keine
Ahnung.«
»Es ist sehr
leicht. Glaub mir. Die meisten entblößen praktisch freiwillig die Brust vor
mir, damit ich sie so schnell und schmerzlos wie möglich ins Jenseits
befördere. Ich habe immer wieder sehr enttäuschende Erlebnisse gehabt.«
Obwohl
langsam Panik in mir aufstieg, warf ich ihm einen trockenen Blick zu. »Willst
du mich verarschen?«
Er hob eine
Braue. »Wie bitte?«
»Wieso
erzählst du mir das? Erwartest du etwa von mir, dass ich dich bedaure, weil die
Vampire keine größere Herausforderung für dich darstellen? Weißt du eigentlich,
wie krank und widerlich es ist, dass du Spaß daran hast, lebendige, atmende
Wesen umzubringen, die ein Leben, die Hoffnungen und Träume haben?«
Er legte den
Kopf schräg. »Wie könnte ich an etwas Spaß haben, das so puppenleicht ist, wie
einen Fisch in einer Tonne zu fangen?«
»Wieso zum
Teufel machst du es dann?«
»Weil ich
dazu geboren wurde. Ich bin der letzte in einer langen Reihe von Jägern, Sarah.
Ich bin in Harvard gewesen und war der Jahrgangsbeste. Ich hätte alles werden
können, was ich wollte, doch ich habe mich für das Familiengeschäft
entschieden. Macht mich das zu einem schlechten Menschen?«
»Aber nein.
Es macht dich nur zu einem
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