Ein Sarg für zwei
Er
ist tot?«
Gideon Chase
war der Anführer der Vampirjäger, ein Milliardär, der ein bisschen zu viel Spaß
an seinem Hobby hatte und andere bezahlte, damit auch sie sich dabei amüsieren
konnten. Seit ich mir diesen Ruf als »Schlächterin der Schlächter« eingefangen
hatte, hörte ich andauernd, dass er es auf mich abgesehen hätte und mich
höchstpersönlich abmurksen wollte. Offenbar sah er mich als eine Art Kerbe in
seinem Sonntagsholzpflock.
Ich hatte
versucht, den Gedanken daran zu verdrängen. Sich in so etwas hineinzusteigern
brachte nur schlaflose Nächte, und man wähnte sich plötzlich bei jemand anderem
sicher, der in Wirklichkeit noch gnadenloser war. Schlaflose Nächte. Davon
konnte ich wahrlich ein Lied singen. Die Ränder unter meinen Augen stammten
nicht von zu ausgiebigem Feiern. Gideon hätte ganz sicher nicht mein Herz
verfehlt, wenn ich ihm vor den Pflock gelaufen wäre.
»Das ist
gut, Sarah.«
Ich holte
tief Luft und atmete bebend aus. »Natürlich ist das gut.«
»Denn es
bedeutet, du bist in Sicherheit, und die Jäger sind führungslos, bis sie einen
neuen Anführer gewählt haben.«
Ich runzelte
die Stirn. »Und der Preis, den Gideon auf deinen Kopf ausgesetzt hatte? Heißt
das, dass du jetzt ebenfalls in Sicherheit bist?«
Gideon stand
auf Meistervampire, das heißt, er genoss es, sie zu töten. Sie stellten eine
weit größere Herausforderung dar als unsere normalen Feld-, Wald- und
Wiesenvampire, und er hatte demjenigen, der ihm Thierry lebend bringen würde,
eine hohe siebenstellige Summe geboten. Nach allem, was ich über Gideon Chase
gehört hatte, würde wohl kaum jemand seinen Tod bedauern. Und jetzt war er tot.
Er hatte ins Gras gebissen, und ich konnte ab jetzt besser schlafen.
Thierry lächelte
humorlos. »Ich werde niemals in Sicherheit sein. Deshalb behalte ich meine
Umgebung ständig im Auge, und das solltest du auch tun. Ich glaube, was dir
heute Nacht mit Heather widerfahren ist, verdeutlicht sehr genau, wie schnell
etwas schiefgehen kann, wenn man nicht ständig aufpasst. Wenn wir zu diesem
Schultreffen in deine Heimatstadt fahren, wäre es mir am liebsten, du bliebst
die ganze Zeit in meiner Nähe.«
Ich hob
erstaunt die Brauen und änderte meine Sitzposition, um zu versuchen, den
klopfenden Schmerz in meiner Brust zu ignorieren. »Du meinst also wirklich, wir
sollten dorthin fahren? Nach dem, was heute Nacht passiert ist?«
»Wir müssen
nicht, wenn du nicht willst.«
Plötzlich
schien das Schultreffen die wichtigste Sache auf der Welt für mich zu sein.
Eine sentimentale Erinnerung an die Zeit, als ich noch normal und glücklich
war. Als die Leute mich vorbehaltlos akzeptierten und mein Leben noch
unkompliziert schien. Als Blutsaugen noch nicht meine Hauptnahrungsquelle war
und ich noch nicht täglich irgendwelchen Holzpflöcken und ihren Besitzern aus
dem Weg gehen musste.
»Ich möchte
auf jeden Fall fahren«, erklärte ich entschlossen.
»Dann fahren
wir.«
Ich
betastete vorsichtig meinen Verband und runzelte die Stirn. »Thierry, darf ich
dich etwas fragen?«
»Aber
natürlich. Alles.«
»Josh hat
gesagt, dass in meinen Adern das Blut von zwei Meistervampiren fließen würde
... von dir und Nicolai. Er sagte, das würde mich zu etwas Besonderem machen,
und ich könnte ihn zu einem stärkeren Vampir machen, wenn ich ihn zeugte. Ist
das richtig?«
»Er hat nur
irgendwelche Gerüchte aufgeschnappt. Das sind keine Tatsachen. Seine Gier hat
ihn dazu verleitet, es zu glauben. Außerdem hat sie ihn dazu angestachelt, zu
versuchen, jemanden zu ermorden, und deshalb ist er jetzt tot.«
Meine Miene
verfinsterte sich noch etwas mehr. »Es ist nur ... Ich fühle mich gar nicht so
schlecht. Klar, fühle ich mich mies, aber nicht so schlecht, wie ich es bei
einer solchen Verletzung erwartet hätte. Ich dachte, dass das vielleicht etwas
mit dieser Meistervampirblutgeschichte zu tun haben könnte.«
»Ja, mein
Blut stärkt deine Selbstheilungskräfte, aber das bedeutet nicht, dass er mit
seinen anderen Vermutungen ebenfalls recht hatte.«
»Also bin
ich nichts Besonderes.«
»Für mich
bist du etwas ganz Besonderes.« Er beugte sich vor und küsste mich wieder. »Und
jetzt ruh dich bitte aus, Sarah. Ich bin bald zurück.«
»Wo gehst du
hin?«
Er ging zur
Tür. »Ich gehe diesem Blödsinn von wegen Roter Teufel auf den Grund.«
»Du glaubst
also tatsächlich, dass es Unsinn ist? Dass es diesen Mann in Wirklichkeit nicht
gibt?«
Thierry
blieb an der Tür
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