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Ein Sarg für zwei

Ein Sarg für zwei

Titel: Ein Sarg für zwei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Rowen
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abgeschlossen
hatten, sah mir Thierry tief in die Augen. Er beherrschte da so einen Trick mit
seinem Gesichtsausdruck. Nach mehr als sechshundert Jahren konnte er effektiv
das ultimative Pokergesicht aufsetzen. Seine Miene zeigte keinerlei Regung,
keinerlei Gefühl. Sein markantes Gesicht konnte absolut ausdruckslos wirken.
    Allerdings
nicht im Moment. Seine dunklen Brauen waren zusammengezogen, der Mund wirkte
wie ein gerader Strich, und seine Wangenmuskeln waren angespannt.
    »Es geht mir
gut«, erklärte ich. »Ehrlich.«
    »Du würdest
es mir doch sagen, wenn es anders wäre, oder?«
    »Glaub mir,
ich werde ab jetzt sehr genau darauf achten, wie ich mich fühle.«
    Er
betrachtete mich eine Weile, dann nickte er. »Ich bin in meinem Leben
zahlreichen Leuten begegnet, die mit dunkler Magie hantierten, und das Ergebnis
war längst nicht immer so harmlos wie heute.«
    Ich warf
meine Tasche auf den Tisch neben dem Fernseher. Mir brannte der Magen bei der
Erinnerung an das, was vorhin passiert war. »George dürfte da anderer Meinung
sein.«
    »George wird
sich bald wieder erholen.«
    »Du hast
schon mit Hexen zu tun gehabt?«
    »Mit
einigen, ja. Ich kann mich vor allem an eine Wahrsagerin erinnern, der ich
einmal begegnet bin. Damals dachte ich, sie sei eine Betrügerin, aber mir ist
klar geworden, dass sie bewundernswerte Fähigkeiten besaß. Eine andere Hexe,
die ich kannte, hatte sich darauf spezialisiert, Leute gegen Bezahlung mit
einem Fluch zu belegen.«
    Ich
schlüpfte aus meinen Schuhen und schleuderte sie in Richtung Tür. »Glaubst du,
dass Stacy versucht hat, mich zu verfluchen?«
    Er schwieg
einen Augenblick. »Das war mein erster Verdacht. Aber da du dich so schnell
wieder erholt hast, gehe ich eher davon aus, dass es nur ein vorübergehender
Zauber war. Sie ist offensichtlich keine sehr mächtige Hexe.«
    Ich
schüttelte den Kopf. »Ich kann gar nicht glauben, was ich noch alles lernen
muss. Magie, Hexen, Werwölfe. Claire hat gesagt, sie kann Dämonen herbeirufen.
Hat sie das ernst gemeint? Wieso habe ich von alldem nichts gewusst, als ich
noch ein Mensch war? Ich bin schlicht durchs Leben gerauscht und habe alles,
was nur im Entferntesten mit solchen Dingen zu tun hatte, als bloße Fantasie
abgetan.«
    Er
verschränkte die Arme. »Wie hättest du denn reagiert, wenn du erfahren hättest,
dass das keine Fantasie ist, dass all das tatsächlich existiert?«
    Ich dachte
darüber nach. »Vermutlich hätte ich es trotzdem nicht geglaubt.«
    »Die meisten
Menschen reagieren so, wenn ihnen etwas Ungewöhnliches begegnet, beispielsweise
ein Paar Reißzähne. Sie sehen nur, was sie sehen wollen, und vermuten, dass es
sich lediglich um einen Menschen mit etwas spitzeren Eckzähnen handelt. Würden
sie etwas anderes glauben, müssten sie ihr Weltbild komplett überdenken.«
    »Und das ist
ziemlich erschreckend.«
    »Du hast
selbst erfahren, dass Vampire sich nur geringfügig von Menschen unterscheiden.«
    Ich nickte.
»Abgesehen davon, dass wir Reißzähne haben, kein Spiegelbild besitzen und
unsterblich sind, sind wir Menschen.«
    »Vergiss den
Durst nach Blut nicht«, fügte er hinzu.
    Ich spürte,
wie ich blass wurde. Richtig. Das Blut. »Ich glaube, ich gehe jetzt ins Bett.
Ich bin müde.«
    Er trat
näher zu mir und legte mir eine Hand auf die Wange. »Du brauchst nicht das
Gefühl zu haben, etwas Falsches getan zu haben. Vampire, insbesondere Zöglinge,
brauchen Blut. Es liegt in deiner Natur, dass es dich danach gelüstet.«
    »Nicht wenn
es bedeutet, dass ich einen meiner besten Freunde anknabbere.«
    Thierry biss
die Zähne zusammen. »Besser ihn als einen ahnungslosen Menschen.«
    Vampire
nahmen Blut, wo sie es kriegen konnten. Ich bekam meines exklusiv aus den
Fässern im Haven, aber ich könnte genauso gut eine Sonderbestellung bei den
Lieferfirmen aufgeben, wenn ich etwas zu Hause im Kühlschrank zur Hand haben
wollte. Es war bislang nicht nötig gewesen, weil ich mir im Club alles nehmen
konnte, wenn ich es brauchte.
    Ich hatte
gelernt, dass menschliches Blut die erste Wahl war. Das Blut eines
Vampirkollegen war die zweite Wahl. Dann kam Tierblut und ganz zum Schluss
synthetisches, das zwar alle notwendigen Nährstoffe enthielt, aber so gut wie
keinen Geschmack hatte.
    Ich stellte
mir vor, dass Menschenblut so etwas wie der Hauptgang war und Vampirblut der
Nachtisch. Es gab eben nur einige Vampire, so wie Thierry selbst, die größere
Schleckermäuler waren als andere, also eine etwas andere

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